Der Angeklagte wird in den Gerichtssaal geführt
APA/Helmut Fohringer
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Chronik

Freund der Ex-Frau erschossen: 20 Jahre Haft

Am Wiener Landesgericht ist heute ein 36-jähriger Mann wegen Mordes zu 20 Jahren Haft verurteilt worden. Der Mann soll aus Deutschland nach Wien gereist sein und dort den neuen Freund seiner Ex-Frau getötet haben. Das Urteil ist nicht rechtskräftig.

Der anklagekonforme Schuldspruch der Geschworenen fiel einstimmig aus. „Sie haben den Mann geradezu in einem Overkill getötet“, stellte die vorsitzende Richterin in der Urteilsbegründung fest. Die Höchststrafe – lebenslange Haft – sei nur deshalb nicht verhängt worden, weil der Angeklagte bisher unbescholten und tatsachengeständig war, sagte die Richterin. Der 36-Jährige hatte zugegeben, die Schüsse abgefeuert zu haben, hatte sich jedoch in Richtung Totschlag verantwortet. Das Urteil ist nicht rechtskräftig. Verteidiger Rudolf Mayer erbat Bedenkzeit, die Staatsanwältin gab vorerst keine Erklärung ab.

Angeklagter plädierte auf Totschlag

Sein Mandant habe das Opfer – einen 39-jährigen Mann, mit dem die Ehefrau des Angeklagten eine Beziehung eingegangen war, nachdem sie sich von ihrem Mann getrennt hatte – nicht vorsätzlich, sondern in einer allgemein begreiflichen, heftigen Gemütsbewegung getötet, sagte Verteidiger Rudolf Mayer eingangs der Verhandlung.

„Dass er geschossen hat, steht fest“, hielt Mayer fest. Der 36 Jahre alte Schütze habe sich „typisch für jemanden, der durchdreht“ verhalten: „Das ist ein klassischer Fall von Wut und Verzweiflung, wo jemand etwas macht, der noch nie etwas Böses in seinem Leben gemacht hat. Das ist wirklich ein Totschlag, wie er im Lehrbuch steht. In ihm hat sich Wut und Hass aufgestaut, gemischt mit Verzweiflung.“ Sein Mandant sei „kein kaltblütiger Mörder“, meinte Mayer.

Sechs Schüsse auf das Opfer

Genau davon geht allerdings die Staatsanwaltschaft aus. „Getrieben von seiner Eifersucht, weil sich seine Ehegattin von ihm getrennt hatte und eine neue Beziehung eingegangen war, reiste der Angeklagte unter Mitnahme einer Faustfeuerwaffe nach Wien, um das Opfer aufzusuchen und zu töten“, heißt es in der Anklageschrift. Der aus der Türkei stammende Angeklagte begab sich am 23. Februar 2022 zur Wohnung des 39-Jährigen in der Troststraße in Wien-Favoriten, zog eine Faustfeuerwaffe und schoss dem Opfer laut Anklage sechsmal in den Oberkörper, davon zweimal ins Herz.

„Ich hab’ einfach bam bam gemacht“, erklärte der Schütze in seiner Einvernahme. Er habe keine Tötungsabsicht gehabt, sondern den neuen Freund seiner Frau dazu bringen wollen, angeblich auf dessen Handy abgespeicherte Sexvideos mit seiner Frau zu löschen. Der Angeklagte behauptete, der Getötete habe ihn mit diesen Videos erpresst. Für die Existenz von Videos gibt es keinen Beleg, wie es seitens der Anklagebehörde hieß.

Zeuge schilderte Tat

Einen Bekannten des 39-Jährigen, der bei diesem zufällig zu Besuch war und der die tödlichen Schüsse mitansehen musste, soll der Angeklagte mit den Worten „Wenn du jemandem davon erzählst, werde ich dich finden und dich auch umbringen“ bedroht haben, ehe er den Tatort verließ und sich ins Ausland absetzte. Der 36-Jährige wurde am 6. Juli 2022 in Georgien festgenommen und in weiterer Folge an die Wiener Justiz ausgeliefert.

Der Zeuge berichtete eindrücklich die Tat. Knapp vor 19.00 Uhr sei der Angeklagte aufgetaucht und habe dem 39-Jährigen zunächst die Zähne ausgeschlagen. Dann habe er den Wohnungsbesitzer mit einer Pistole bedroht und dessen Mobiltelefon verlangt, was dieser verweigerte. „Dann hat der Mann die Waffe auf mich gerichtet. Er hat meinen Ausweis verlangt“, berichtete der 25-Jährige.

Das habe der 39-Jährige genutzt, um zum Fenster zu laufen und um Hilfe zu rufen: „Da ist er (der Schütze, Anm.) hin, hat ihn weggezogen und gesagt, dass er das nicht hätte machen sollen. Er hat den Vorhang zugezogen und geschossen.“ Er sei eineinhalb Meter daneben am Boden gesessen und habe seinem Freund nicht helfen können. Der Schütze habe dann noch einmal die Waffe auf ihn gerichtet und ihm eingeschärft, ihn nicht zu verraten: „Sonst wird er mich finden und umbringen.“

Angeklagter als „äußerst eifersüchtig“ beschrieben

Der Angeklagte war 2011 mit seiner Frau nach Deutschland gezogen, wo er sich in Baden-Württemberg niederließ. Zuletzt war er in einem Automobilwerk als Leiharbeiter beschäftigt. Der Mann weist keine gerichtlichen Vorstrafen auf. Allerdings dürfte er öfters seiner Frau gegenüber handgreiflich geworden sein, wie die Ermittlungen der Wiener Anklagebehörde ergaben.

Der Staatsanwaltschaft zufolge war der Mann „äußerst eifersüchtig“, nach gegen die Frau gerichteten Tätlichkeiten und Gewalttätigkeiten hatte sich diese im September 2021 von ihrem Ehemann getrennt und war zu ihrer Schwester gezogen. Und sie nahm wieder die Beziehung zu ihrer Jugendliebe auf, die in Wien lebte und die der Angeklagte vom Sehen her kannte. Ende Oktober 2021 verhängten die deutschen Behörden über den 36-Jährigen in Bezug auf die Ehefrau ein Annäherungsverbot.

Ex-Frau entschlug sich

Die Ex-Frau des Angeklagten machte von ihrem Entschlagungsrecht Gebrauch und sagte nicht aus. Damit konnten auch ihre bisherigen Angaben nicht verwertet werden. Um 12.30 Uhr wurde das Beweisverfahren für beendet erklärt. Nach einer kurzen Mittagspause folgen die Schlussplädoyers der Staatsanwältin und des Verteidigers.