Eine Solaranlage am Dach des Haus des Meeres im Hintergrund ein Stadtpanorama
ORF/Matthias Lang
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Umwelt & Klima

Wien sucht den Sonnenstrom

E-Autos, Wärmepumpen und Klimaanlagen – der Ausstieg aus fossilen Brennstoffen führt zu einem erhöhten Strombedarf in der Stadt. Auch der Strom wird derzeit zu einem Großteil mit fossilen Energieträgern produziert. Um den Gasausstieg zu schaffen, wird der Photovoltaikausbau stark forciert.

Bis zum Jahr 2040 steigt der Stromverbrauch in der Stadt deutlich. Vor allem die Umstellung von Diesel- und Benzinautos auf E-Autos führt zu einem höheren Strombedarf in der Mobilität. Genauso steigt durch den Ausbau von Wärmepumpen der Bedarf bei der Heizung, durch heißere Sommer der Bedarf bei der Kühlung. Das ist eine Folge des geplanten Ausstiegs aus fossilen Brennstoffen. Doch auch die Stromproduktion soll künftig frei von Treibhausgasen sein.

Photovoltaik fast überall möglich

Der Strom wird daher künftig mit erneuerbaren Energieträgern produziert werden. Die wichtigsten Möglichkeiten sind bekannt: Wasserkraft, Windkraft und Photovoltaik. Vor allem letztere wird in Wien eine große Rolle spielen. Photovoltaikanlagen können nahezu überall errichtet werden, sofern sie der Sonne ausgesetzt sind, erklärte Hubert Fechner, Obmann der Technologieplattform Photovoltaik (TPPV), gegenüber wien.ORF.at.

Produktionsspitze

Die Leistung von PV-Anlagen wird in Kilowatt- (kWp) und Megawattpeak (MWp) angegeben. Diese Werte geben die maximale Stromproduktion bei optimaler Sonneneinstrahlung an.
Der tatsächlich erzeugte Strom wird in Kilowattstunden (kWh) angegeben.

„Im bebauten Bereich schauen wir, dass wir Flächen nutzen, die schon anderweitig genutzt sind. Versiegelten Flächen den Zusatznutzen der Photovoltaik zu geben, das wäre natürlich das Optimum“, so Fechner. In Wien liege eines der größten Potenziale daher auf den ungenutzten Dachflächen. Diese können für die Sonnenstromerzeugung genutzt werden.

Die Stadt hat erhoben, wie groß das technische Sonnenstrompotenzial auf den Wiener Dachflächen theoretisch ist. „Im Solarpotenzialkataster kann man auswerten, wie hoch das Sonnenstrompotenzial auf dem eigenen Dach ist“, sagte Susanna Erker, Leiterin der Magistratsabteilung für Energieplanung (MA 20). Der Kataster weist aus, wie viele Quadratmeter auf dem Gebäudedach genutzt und welche PV-Anlagenleistung in Kilowatt installiert werden können.

Photovoltaikpotenzial auf Dachflächen in Wien nach Eignungsklasse: Dachbereiche (exklusive Dachfenster, Aufzugsschächte und dergleichen), die sich für Photovoltaik eignen, wurden anhand von Luftbildern identifiziert und drei Eignungsklassen zugewiesen, kleine Restflächen unter einem Quadratmeter wurden eliminiert

Hohes theoretisches Potenzial

Insgesamt geht die Stadt von einem theoretischen technischen Sonnenstrompotenzial auf den Dächern von etwa 1.600 MWp aus. Damit könnten circa 20 Prozent des aktuellen Stromverbrauchs in Wien gedeckt werden, meinte Erker. Den gesamten Verbrauch im Stadtgebiet zu decken, sei nicht möglich. Selbst, wenn die PV-Module immer besser werden, wie Fechner bestätigte. Aktuelle Module können rund ein Viertel der eingefangenen Sonnenenergie direkt in Strom umwandeln. Im Labor gebe es bereits Module, die ungefähr 45 Prozent Wirkungsgrad erreichen.

1.600 MWp sind nur technisch möglich, viele weitere Parameter müssen beachtet werden. „Bei einer Photovoltaikanlage gibt es noch andere Einflussfaktoren, die sehr wesentlich sind, wie etwa die Neigung des Daches oder ob auf diesem Dach schon andere Aufbauten drauf sind“, erklärte Herbert Brandner, der Leiter für den erneuerbaren Stromausbau bei der Wien Energie.

Der laut eigenen Angaben größte Sonnenstromproduzent Österreichs greift zwar auch auf den Solarkataster zurück, „anschließend erfolgt dann eine Detailplanung, wo eine Begehung erfolgt und die tatsächlichen Gegebenheiten vor Ort geprüft werden.“ Die Möglichkeiten im Stadtgebiet sind jedoch beschränkt. „Wir bauen außerhalb von Wien auch Photovoltaik-Freiflächenanlagen, wo wir besonderes Augenmerk auf eine Kombination aus Photovoltaik und Landwirtschaft legen“, sagte Brandner. Die Möglichkeit der Agrar-PV wird etwa in Wiens größter PV-Anlage in der Donaustadt getestet, und das erfolgreich, wie das Unternehmen unlängst verlautbarte.

Weiter Weg zum Ausbauziel

In der Stadt sind derzeit PV-Anlagen mit einer Leistung von 130 MWp installiert. Bis 2030 setzte sich die Stadt das Ziel, 800 MWp Leistung installiert zu haben. Das sei noch ein weiter Weg, sagte Fechner. Um das Ziel der Klimaneutralität 2040 zu erreichen, „wird es noch mehr brauchen. Die Photovoltaikleistung muss in den Gigawattbereich (1.000 MWp, Anm.) gehen, und dafür muss man sukzessive alle Möglichkeiten ausschöpfen“, so der TPPV-Obmann.

Fechner, der grundsätzlich viel Lob für die Sonnenstromoffensive der Stadt Wien hat, wünscht sich daher eine fixe Zielvorgabe der Stadt. Wichtig für den Ausbau ist auch die Akzeptanz der Bewohnerinnen und Bewohner. Anbieter würden versuchen, Photovoltaik in die Umgebung einzupassen. PV-Module erhalten etwa die Form und Farbe von Dachziegeln, erzählte Fechner. Es gebe auch Module, die statt Dächern eingesetzt werden können. Ein Beispiel dafür sind PV-Dachgärten.

Ein PV-Dachgarten am Dach der BOKU
ORF/Matthias Lang
PV-Dachgärten nutzen Dachflächen vielfältig mit Photovoltaik, Aufenthaltsraum und Begrünung zur Abkühlung

Entspannen unter PV-Modulen

Die Universität für Bodenkultur (BOKU) entwickelte dafür einen Prototyp. Die erste Umsetzung nach der Forschungsphase erfolgte beim Neubau des Türkenwirt-Gebäudes, erzählte Energiemanager Roman Smutny von der BOKU. 30 Module bilden das Dach einer Stahlpergola, darunter stehen eine Handvoll Bänke und Tische als Aufenthaltsmöglichkeit, umgeben von Pflanzen. Die Module sind transparent, damit erreicht ausreichend Licht die darunter wachsenden Pflanzen. Genutzt wird der Dachgarten von Studierenden der BOKU.

Der Dachgarten soll drei Effekte auslösen, sagte Smutny. „Einerseits nutzt man die Fläche zum Energieertrag, andererseits nutzt man die Pflanzen auch, indem sie einen Beitrag zum urbanen Mikroklima leisten, der den Wärmeinseleffekt reduziert. Nicht zuletzt schafft man eine attraktive Außenraumqualität.“ Der Mehrwert für die Nutzerinnen und Nutzer sei auch ein wichtiges Argument für den Dachgarten, mehr noch als die Leistung: Mit der Anlage auf der BOKU können zwei bis drei Haushalte im Jahr mit Strom versorgt werden.

Interessenkonflikte auf dem Dach

Doch auch auf den Dächern gibt es Konflikte. Während nämlich der PV-Ausbau voranschreiten soll, geben zum Beispiel Schutzzonen Einschränkungen vor. In diesen dürfen PV-Anlagen nur unter gewissen Bedingungen errichtet werden, unter anderem, wenn sie von der Straße nicht sichtbar sind. Es sei daher schwierig, dort Anlagen zu errichten, wird kritisiert. „Es wird im Rahmen der Sonnenstromoffensive an Lösungen gearbeitet“, sagte die Leiterin der städtischen Energieplanung, Erker. „Das geht aber nur schrittweise.“

Smutny hält es für möglich, dass auf den meisten Flachdachflächen PV-Dachgärten errichtet werden können. „In vielen Fällen ist die oberste Dachfläche etwas abgerückt von der Fassadenkante. In diesen Bereichen ist es durchaus auch mit den Anforderungen der Schutzzonen vereinbar.“ Das habe man mit dem Dachgarten auf der BOKU gezeigt.

Einen „mühsamen Weg“ im Altbau sieht die Wien Energie. Aber: „In enger Abstimmung mit den Behörden finden wir Lösungen, wo es auch im Altbau möglich ist, Photovoltaikanlagen zu errichten“, meinte Brandner. Die Zustimmung für Photovoltaik auf dem Dach ist auf jeden Fall gegeben, zeigt eine Studie der Wien Energie: 81 Prozent sahen die Technologie im Vorjahr positiv, so viele wie in keinem anderen Bereich.