Politik

Terroranschlag: IS-Prediger vor Abschiebung

Ein zentraler Kontaktmann des Attentäters von Wien steht vor der Abschiebung: ein radikal-islamistischer Prediger aus St. Pölten (NÖ), bei dem der spätere Attentäter ein und aus gegangen ist.

Der Salafist Argjend G. hatte in einer eigens dafür angemieteten Wohnung in St. Pölten Treffen für Befürworter und Sympathisanten der Terrormiliz Islamischer Staat (IS) veranstaltet und Predigten mit IS-Inhalten gehalten. Seit Anfang August befindet er sich in der Justizanstalt St. Pölten wieder in Haft.

Im Vorjahr verurteilt

Zu den Besuchern des Predigers hatte der spätere Wien-Attentäter, der am 2. November 2020 vier Passanten tötete, gezählt, dem G. die IS-Ideologie und das geistige Rüstzeug für sein terroristisches Handeln nahebrachte. Dafür wurde G. im Herbst vom Wiener Landesgericht wegen terroristischer Vereinigung und krimineller Organisation rechtskräftig zu 19 Monaten Haft verurteilt.

In Stattgebung einer Berufung der Staatsanwaltschaft wurde die Strafe später vom Oberlandesgericht (OLG) Wien auf 27 Monate erhöht. Zudem bekam der gebürtige Nordmazedonier eine vorangegangene Vorverurteilung von fünf Monaten widerrufen.

Bald wieder auf freiem Fuß

Obwohl somit am Ende insgesamt 32 Monate gerichtlich ausgesprochen wurden, hätte bzw. hat der 25-Jährige nur mehr neun Monate zu verbüßen. Er war nämlich unmittelbar nach dem Terroranschlag festgenommen worden und hatte immerhin 23 Monate in U-Haft verbracht, die ihm auf das Strafausmaß anzurechnen waren.

Die Reststrafe glaubte G. im elektronisch überwachten Hausarrest und damit außerhalb der Gefängnismauern absitzen zu können – doch dem machte das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl (BAF) nun einen Strich durch die Rechnung. Wie gemeinsame Recherchen der APA, des „Standard“ und von Puls 24 ergaben, hatte das BFA nämlich aufenthaltsbeendende Maßnahmen in die Wege geleitet, zumal der Nordmazedonier weiter radikales Gedankengut propagieren soll und von den Behörden nach wie vor als „Gefährder“ eingestuft wird.

Bereits als Jugendlicher aufgefallen

Auf den IT-Techniker war der Verfassungsschutz schon im Alter von 14 Jahren aufmerksam geworden – die Schule, die er damals besuchte, meldete, er falle mit radikal islamistischen Tendenzen auf. Als 18-Jähriger gründete G. die Bewegung „Ansar“, die sich der Ideologie des IS verpflichtet sah.

Da es sich bei dem 25-Jährigen um einen Drittstaatsangehörigen handelt, erließ das BFA eine – mittlerweile rechtskräftige – Rückkehrentscheidung, mit welcher der irreguläre Aufenthalt des Predigers festgestellt und diesem eine Rückkehrverpflichtung samt zehnjährigem Einreiseverbot auferlegt wurde.

„Möglichst unmittelbar nach Strafhaft“

Seitens des Innenministeriums, das zum konkreten Fall aus datenschutzrechtlichen Gründen nicht Stellung nehmen konnte, hieß es gegenüber der APA zum Grundsätzlichen: „Die Effektuierung von Rückkehrentscheidungen bei Straffälligen steht für das BFA besonders im Fokus. Dabei wird seitens des BFA darauf geachtet, dass alle Maßnahmen und Möglichkeiten im Hinblick auf eine möglichst frühzeitige Außerlandesbringung ergriffen werden. Die Abschiebung erfolgt bei verurteilten Straftätern möglichst unmittelbar nach Verbüßung der Strafhaft in Österreich.“

Mit der Rückkehrentscheidung des BFA fiel für G. die Rechtsgrundlage für die Fußfessel weg, die Justiz widerrief daher den elektronisch überwachten Hausarrest. Der 25-Jährige musste seine offene Reststrafe antreten, seit wenigen Tagen befindet er sich in einer Zelle in der JA St. Pölten. Mit Anfang 2024 wäre seine Strafe zur Gänze verbüßt, spätestens dann wäre er abzuschieben.

Bis zur Abschiebung in Haft?

Ob der IS-Mann tatsächlich den Rest des Jahres inhaftiert bleibt, ist insofern unsicher, als eine Bestimmung des Strafvollzugsgesetzes vorsieht, dass unter bestimmten Voraussetzungen vom weiteren Vollzug der Strafe abgesehen werden kann. Nämlich dann, wenn der Betroffene mindestens die Hälfte der Haftzeit, zu der er verurteilt wurde, verbüßt hat – was bei G. der Fall ist – und er sich zur freiwilligen Ausreise bereiterklärt.

Ob bei G. diese Bereitschaft vorliegt, ist unklar, sein Anwalt war für die APA telefonisch vorerst nicht erreichbar. Die Zuständigkeit bzw. Entscheidung darüber, ob einem solchen Ausreiseantrag stattgegeben wird, der die Abschiebung beschleunigen würde, liegt bei der Justiz.