Ein PV-Anlage am Dach der BOKU
ORF/Matthias Lang
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Umwelt & Klima

PV-Ausbau: Große Last auf dem Stromnetz

In Wien wird die Sonnenstromnutzung ausgebaut. Bis 2030 soll sich nach Plänen der Stadt die Leistung versechsfachen. Für das Stromnetz ist das eine Herausforderung, die Wiener Netze investieren massiv. Das Stromsystem wird flexibler werden müssen, sagen Experten.

Immer mehr Wienerinnen und Wiener wollen eine eigene Photovoltaikanlage (PV-Anlage). Das zeigt sich deutlich bei den Anträgen auf Netzeinspeisung bei den Wiener Netzen. „Wir haben vor ein paar Jahren bis zu 80 Anlagen im Monat gehabt. Derzeit liegen wir bei 1.400 bis 1.500 Anlagen, die bei uns im Schnitt angefragt werden“, sagte Netzausbauexperte Michael Swoboda von den Wiener Netzen. Das Versorgungsgebiet des Unternehmens reicht über die Wiener Stadtgrenzen auch nach Niederösterreich.

Meiste Zeit kein Problem

Der Zuwachs an PV-Anlagen über die nächsten Jahre wird massiv. Derzeit produzieren die Photovoltaikanlagen in Wien eine Leistung von 130 Megawattpeak (MWp). Bis 2030 hat sich die Stadt im Klimafahrplan einen Ausbau auf 800 MWp auferlegt. Um das Ziel der Klimaneutralität zu erreichen, rechnet eine Studie mit einem erforderlichen Ausbau bis 2040 auf 1.300 MWp.

„Derartige relativ hohe Mengen an Photovoltaik werden zu den meisten Zeiten des Jahres kein Problem für das Stromnetz darstellen“, sagte Hubert Fechner von der Technologieplattform Photovoltaik (TPPV). Die Produktion von Sonnenstrom erfolge ja nur zu einem geringen Teil auf Höchstlast, das ist von Sonnenstand und Einbausituation abhängig, erklärt der Experte. Jedoch: „Wenn der Ausbau voranschreitet, werden zu Beginn einige Minuten, später einige Stunden im Jahr auftreten, wo die Kapazität des Stromnetzes an die Grenzen kommt.“

Die Wiener Netzen investieren deshalb 300 Millionen Euro jährlich in den Netzausbau, sagte Swoboda. „Der Netzausbau ist bei jedem Netzbetreiber etwas, das lebendig ist. Das wird nie abgeschlossen sein. Wir sind ständig daran, unser Netz kontinuierlich zu verbessern und auszubauen.“

Kaum Beschwerden bei E-Control

Probleme mit dem Netzanschluss, wie sie in manchen Bundesländern bestehen, gibt es in Wien noch kaum. Es gibt ein breites Netz an Umspannwerken. Die Interessensvertretung Österreichs Energie bietet auf ihrer Website einen Überblick über die verfügbaren Netzkapazitäten in Österreich. In Wien zeigt die Übersicht derzeit keine Probleme.

Auch die Regulierungsbehörde E-Control bemerkt keine Probleme mit der Einspeisung, wie es in einer schriftlichen Stellungnahme gegenüber wien.ORF.at heißt. „Wir haben aktuell in unserer Beratungsstelle dazu kaum Anfragen. Wir wissen zwar, dass es teilweise lange Bearbeitungsdauern gibt, aber dass sich Rückleistungsbeschränkungen oder gar Absagen häufen, merken wir nicht.“ Schlichtungsverfahren gab es zu dem Thema noch keines.

Stromspeicher nur kurzfristige Lösung

Wer den Sonnenstrom nicht ins Netz einspeisen will, hat derzeit nur beschränkte Möglichkeiten – etwa einen Stromspeicher. „Stromspeicher machen vor allem dann Sinn, wenn ich entsprechende Überschüsse haben“, sagte Fechner. Das könne vor allem bei Einfamilienhäusern Sinn machen. „Im Mehrfamilienhausbereich ist meistens die Flächenverfügbarkeit im Vergleich zum Verbrauch wesentlich geringer. Da muss man dann wirklich gut kalkulieren, ob sich da die Investition eines Stromspeichers rechnet.“

Technisch gibt es derzeit zwei bis drei Möglichkeiten, Strom zu speichern. Die klassische Lösung ist ein Batteriespeicher, hier werde vor allem auf Lithium-Ionen-Batterien gesetzt. Damit könne man den Strom aus der Mittagsspitze der Photovoltaikproduktion für den Abend speichern, wenn Personen von der Arbeit nach Hause kommen und etwa ihre Smartphones aufladen oder den Geschirrspüler einschalten.

Auto mit E-Tank
APA/Barbara Gindl
E-Autos können quasi als Stromspeicher verwendet werden

Die zweite Lösung ist das Umwandeln von Strom in Wärme. So kann man in einem Boiler Wasser erwärmen und speichern. Und dann gibt es noch die praktische Lösung: Wer ein E-Auto hat, kann den überschüssigen Sonnenstrom gleich im Auto speichern. Die langfristige Speicherung von Strom ist derzeit noch kein großes Thema. An Lösungen, um Strom zur Wasserstoffproduktion zu benützen und den dann wieder zur Stromproduktion zu verwenden, wird geforscht.

Flexiblerer Stromeinsatz

Generell wird die Stromzukunft auf jeden Fall mehr Flexibilität erfordern, ist sich Fechner sicher. „Es gibt viele Möglichkeiten, wo ich Flexibilität im Stromnetz habe.“ Er verweist etwa auf Kühlanlagen in Supermärkten, die etwa zu Zeiten, wenn mehr Strom produziert wird, Speisen stärker herunterkühlen können und dafür zu Zeitpunkten, wo weniger Strom produziert wird, weniger oder gar nicht kühlen – und das, ohne die Kühlkette zu unterbrechen.

PV-Ausbau: Große Last auf dem Stromnetz

In Wien wird die Sonnenstromnutzung ausgebaut. Bis 2030 soll sich nach Plänen der Stadt die Leistung versechsfachen. Für das Stromnetz ist das eine Herausforderung, die Wiener Netze investieren massiv. Das Stromsystem wird flexibler werden müssen, sagen Experten.

Speicherlösungen würden zu dieser Flexibilität beitragen. Die Regulierung werde automatisiert gehen, so der Experte und beruhigt: „Es wird nicht in die Richtung gehen, dass man zu bestimmten Zeiten Stromanwendungen nicht mehr nutzen kann.“ Denn im Privatbereich seien ja auch soziale Aspekte zu beachten. Smartphone aufladen soll auch künftig nicht an vorgeschriebene Zeiten gebunden sein.