Lehrerin steht in einer Schulklasse und unterrichtet
ORF
ORF
Politik

Kritik an Studierenden als Lehrkräfte

Das neue Schuljahr zeigt, dass immer öfter junge Lehramtsstudierende in den Schulklassen als Lehrkräfte eingesetzt werden. In einer Schule in Simmering hat die Hälfte des Lehrpersonals keinen regulären Abschluss. Kritik kommt von der Österreichischen Hochschülerschaft (ÖH).

In der Ganztagesvolksschule Rzehakgasse in Simmering studiert die Hälfte der Lehrkräfte noch, erzählte Direktorin Elisabeth Faast gegenüber „Wien heute“. „Hätten wir sie (die Lehramtsstudierenden, Anm.) nicht, würde der Unterricht so nicht stattfinden können. Es ist aber trotzdem eine Herausforderung. Die Studierenden kommen meistens mit einer verringerten Lehrverpflichtung. Das heißt, man muss den Stundenplan auch so planen, dass sie ihre Stunden so legen können, dass sie trotzdem auch noch studieren können.“

Studium leidet unter Lehrverpflichtung

Das Studium ist nicht berufsbegleitend. Für die Studierenden sei das ein Gewissenskonflikt, sagte Faast. „Als Schulleitung ist es für mich auch nicht leicht zu sehen, wie sehr eigentlich auch die Studierenden immer wieder belastet werden.“ Manche sind sogar als Klassenvorstände eingesetzt. „Ich bin seit drei Jahren an einer Schule tätig. Ich war aber davor in einer anderen Schule und bin jetzt seit letzter Woche hier Klassenlehrerin in der Mehrstufenklasse“, erklärte etwas die 24-jährige Michelle Vicht.

Lehrerin steht in einer Schulklasse und unterrichtet
ORF
Studierende bekommen immer früher in ihrer Ausbildung Klassen

Auch sie muss sich regelmäßig zwischen Studium und Kindern entscheiden. „Wenn ich mir dann überlege, was ich lieber vernachlässige – die Kinder oder die Masterarbeit – dann ist es halt leider meistens die Masterarbeit, damit ich für die Kinder 100 Prozent da sein kann.“ Nach einem vier Jahre dauernden Bachelorstudium haben Studierende für die Masterarbeit bis zu sieben Jahre Zeit.

ÖH beobachtet vermehrt Burnout-Fälle

In der ÖH sieht man immer häufiger Burnouts, noch bevor das Studium abgeschlossen ist, sagte die Vorsitzende der ÖH an der Universität Wien, Nora Hasan. „Was wir vor allem auch als Studierendenvertretung sehen können, ist, dass die meisten dann auch sehr schnell ausbrennen und dann keine Lust mehr haben bzw. nicht mehr können und deshalb dann das Studium abbrechen.“ Dadurch würde der Lehrkräftemangel nur noch verstärkt, fürchtet sie.

Immer mehr Lehrkräfte ohne Abschluss

Das neue Schuljahr zeigt: Immer öfter werden junge Lehramtsstudierende in den Schulklassen als Lehrende eingesetzt. In einer Ganztagsvolksschule in Simmering hat mittlerweile die Hälfte des Lehrpersonals noch keinen regulären Abschluss.

Die ÖH geht davon aus, dass ungefähr 20 Prozent der Studierenden aufgrund von Überlastung das Studium abbrechen. Die meisten Studierenden beginnen bereits vor dem Bachelor zu unterrichten, und zwar immer früher, sagte Faast. „Wenn Studierende im zweiten, dritten, vierten Semester kommen, da fehlt einfach die Praxiserfahrung.“ Da brauche es erfahrene Kolleginnen und Kollegen zur Unterstützung, „und für die ist es dann natürlich auch wieder eine Mehrarbeit“.

Den unterrichtenden Studierenden müssen als Unterstützung Mentoren zur Seite gestellt werden, zumindest im ersten Jahr. „Es gibt natürlich immer wieder Eltern, die einmal ein bisschen schockiert sind, weil sie sich als Lehrerin ihres Kindes natürlich eine ältere oder erfahrene Lehrerin wünschen. Es gibt natürlich auch Schwierigkeiten, weil die Kolleginnen noch sehr jung sind, auch in ihrem Auftreten“, sagte die Direktorin. Es würde sich allerdings meisten nach einer Eingewöhnungszeit legen.

Finanzielle Mehrbelastung

Für die Studierenden gibt es Sonderverträge mit 75 Prozent des normalen Anfangsgehalts. Finanziell sei der frühe Einstieg in den Lehrbetrieb mitunter nachteilig, sagte Hasan. „Die Studierenden, die nebenbei arbeiten, studieren meistens dann länger. Wenn sie länger studieren, heißt das auch, dass sie nicht innerhalb dieser Toleranzsemester bleiben, sondern dann noch Studiengebühren zahlen. Das sind 300 Euro im Semester zusätzlich und das sind sukzessive einfach Schritte, wie sich dieser Leistungsdruck erhöht.“

ÖH-Vorsitzende zum Schulbeginn

Nora Hasan nimmt Stellung zu den Zuständen an Wiens Schulen.

An den Wiener Pflichtschulen haben laut Bildungsdirektion derzeit acht Prozent der Lehrenden noch keinen Abschluss. Von den rund 8.000 Lehrkräften an den Volksschulen sind es 25 Prozent. Es wird händeringend weiter nach Verstärkung gesucht: Die Bildungsdirektion konnte zum Schulstart „einige wenige“ Volksschulklassen nicht mit Klassenlehrern besetzen, hieß es am Dienstag gegenüber „Wien heute“. Hier gebe es derzeit „Übergangslösungen“.