Gedenkveranstaltung
APA/Eva Manhart
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Chronik

Österreich gedenkt in Wien der Hamas-Opfer

Unter stark erhöhten Sicherheitsvorkehrungen hat am Mittwochabend auf dem Ballhausplatz eine Gedenkveranstaltung für die Opfer des Hamas-Terrors in Israel stattgefunden. Die politischen Spitzen der Republik nahmen teil, unter anderen Bundeskanzler Karl Nehammer (ÖVP).

Die Israelitische Kultusgemeinde (IKG) hatte zu der Gedenkveranstaltung aufgerufen. Bundespräsident Alexander Van der Bellen übermittelte wegen einer Erkrankung eine Grußbotschaft, die von Schauspielerin Mercedes Echerer vorgetragen wurde. „Wir stehen in diesen schweren Zeiten an Israels Seite“, erklärte Van der Bellen darin. Bei den Gräueltaten durch Hamas-Terroristen handle es sich um „reinen Hass“: „Kein politisches Anliegen rechtfertigt solche Verbrechen.“

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Bundeskanzler Karl Nehammer (ÖVP) bei der  bei der Gedenkveranstaltung
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Zahlreiche Spitzenpolitikerinnen und -politiker waren anwesend, etwa Bundeskanzler Karl Nehammer (ÖVP), …
Nationalratspräsident Wolfgang Sobotka (ÖVP)  bei der Gedenkveranstaltung
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… Nationalratspräsident Wolfgang Sobotka (ÖVP), …
Vizekanzler Werner Kogler (Grüne) bei der Gedenkveranstaltung
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… Vizekanzler Werner Kogler (Grüne), …
Beate Meinl-Reisinger (NEOS) bei der Gedenkveranstaltung
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… NEOS-Chefin Beate Meinl-Reisinger …
Bürgermeister Michael Ludwig (SPÖ) bei der  bei der Gedenkveranstaltung
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… und Wiens Bürgermeister Michael Ludwig (SPÖ) .

Van der Bellen: „Wir dürfen nicht schweigen“

„Wir dürfen nicht schweigen, wenn erneut Juden zum Opfer fallen. Die ganze Welt, jede Institution und jeder Staat, muss Einfluss nehmen, um die Gewalt zu beenden. Alle Geiseln sind sofort freizulassen – Menschen dürfen nicht als Faustpfand missbraucht werden“, betonte das Staatsoberhaupt. „Ein Pogrom von unfassbarem Ausmaß entfaltet sich vor unseren Augen.“

Israel sei für viele Juden nicht nur ein Land: „Es ist mehr als das – nach dem Holocaust ein Zufluchtsort.“ Viele Juden in Österreich würden trauern oder um Verwandte und Freunde in Israel bangen: „Mein tief empfundenes Mitgefühl gilt Ihnen.“

Nehammer erinnert an Verantwortung Österreichs

Nationalratspräsident Werner Sobotka (ÖVP) erinnerte sich in seiner Rede zurück an einen Besuch in der israelischen Stadt Sderot. Dort habe ihm der Bürgermeister die Schutzbunker sowie die Wasserversorgung für den Gazastreifen gezeigt: „Er hat mir die Augen geöffnet. Nämlich dafür, wie sehr es dem Staat Israel ein Anliegen war, seine Moralität zu wahren.“ Die Hamas habe diese Moralität mit Füßen getreten, Israel dürfe und müsse sich wehren.

Bundeskanzler Nehammer betonte, die Territorialität Israels sei für Österreich unabdingbar. Österreich stehe zu seiner Verantwortung aus der Geschichte: „Wir haben lange gebraucht, um es zuzugeben, dass auch Österreicherinnen und Österreicher Mörder und Täter waren. Das war ein schmerzhafter Prozess, aber vor allem ein schmerzhafter Prozess für die Opfer.“ Terror sei niemals eine Antwort, so Nehammer weiter.

Ähnlich äußerten sich NEOS-Chefin Meinl-Reisinger sowie Vizekanzler Kogler (Grüne). Kogler betonte zudem: „Israels Politik kann man kritisieren, so wie die Politik eines jeden anderen Staates. Aber Terrorakte sind durch nichts zu rechtfertigen.“ Der Wiener Bürgermeister Michael Ludwig (SPÖ) plädierte am Mittwoch auch für „Bildungsarbeit, um gegen das Gift des Antisemitismus aufzutreten“.

Wien: Trauerfeier für Opfer in Israel

In Wien gibt es am Mittwoch eine Trauerfeier für die Menschen, die in Israel durch Attacken der Hamas ums Leben gekommen sind. Zudem findet eine Kundgebung für die Palästinenser statt. Die Polizei stellt sich auf einen Großeinsatz ein.

Deutsch: „Die Bestialität ist grenzenlos“

Die Veranstaltung, zu der sich laut IKG rund 2.000 Personen einfanden, wurde mit einem Gebet von Oberrabbiner Jaron Engelmayer eröffnet. IKG-Präsident Oskar Deutsch schilderte zu Beginn des Gedenkens einige der zahlreichen Schicksale von Menschen, die den Angriffen zum Opfer fielen. „Die Bestialität ist grenzenlos“, sagte Deutsch. Man habe sich bewusst entschieden, keine Bilder oder Videos von den Ereignissen zu zeigen. „Wir alle kennen sie und werden sie wohl nie vergessen“, sagte Deutsch. „Wir dürfen und werden das nie vergessen“, führte er aus.

IKG-Präsident Oskar Deutsch
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IKG-Präsident Deutsch kritisierte, dass sich Jüdinnen und Juden noch immer vor Angriffen schützen müssen

Deutsch bedanke sich bei allen Sicherheitskräften für das Ermöglichen der Veranstaltung, kritisierte jedoch auch, dass Jüdinnen und Juden weltweit nach wie vor vor Angriffen geschützt werden müssten. „Wie lange noch?“, fragte er. Die IKG hatte im Vorfeld ersucht, auf dem Weg zum Ballhausplatz bzw. beim Verlassen der Veranstaltung mitgeführte Israel-Fahnen, Transparente etc. zu verdeckt mitzunehmen.

Kritik an Koalition mit FPÖ

Gegen die Gefährdung müssten nun nicht nur die Sicherheitskräfte vorgehen, sondern die ganze Zivilgesellschaft, so Deutsch. Auch in Wien gebe es Unterstützer der Hamas, die deren Entführungen und Morde gutheißen würden. „Sie haben aber auch Verbündete, die nicht so offen den Terror der Hamas bejubeln. Vereinzelte Hamas-Apologeten in Medien und Wissenschaft, die täglich eine mediale Bühne für ihre Relativierungen erhalten“, mahnte der IKG-Präsident.

Teilnehmende bei Gedenkveranstaltung auf Ballhausplatz
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Die Sicherheitsvorkehrungen waren stark erhöht

Im weiteren Verlauf trat auch ein Vertreter der Jüdischen Hochschülerschaft auf. „Es braucht einen Schutz der jüdischen Diaspora“, forderte dieser. Dieser Schutz bedeute neben einem Schutz vor antisemitischen Angriffen jedoch auch einen Schutz vor Rechtsextremismus, hieß es. „Mit Udo Landbauer (FPÖ) regiert ein schlagender Burschenschafter, dessen Burschenschaft ‚Gas geben bis zur letzten Million‘ singt“, wurde kritisiert. „Keine Partei, die es mit dem Schutz der Juden ernst meint, kann mit der FPÖ koalieren.“

Über 1.200 Menschen ermordet

Für die österreichische Bischofskonferenz nimmt laut Kathpress der Wiener Weihbischof Stephan Turnovszky an der Gedenkveranstaltung teil. Er vertritt den Bischofskonferenz-Vorsitzenden, Erzbischof Franz Lackner, sowie Kardinal Christoph Schönborn, die sich derzeit beide bei der Weltsynode in Rom befinden.

Terroristen hatten am Samstag im Auftrag der im Gazastreifen herrschenden Hamas ein Massaker unter Zivilisten in israelischen Grenzorten und auf einem Musikfestival angerichtet. Die Zahl der Toten liegt nach Armeeangaben bei mehr als 1.200. Mindestens 3.000 weitere Menschen seien verletzt worden.

Die Zahl der bei Gegenangriffen Israels im Gazastreifen getöteten Palästinenser stieg am Mittwoch nach palästinensischen Angaben auf mindestens 1.100. Über 5.300 weitere Menschen seien verletzt worden, teilte das Gesundheitsministerium in Gaza mit.

Ludwig (ORF) zur Gedenkveranstaltung

Carmen Ludwig (ORF) berichtet vom Wiener Ballhausplatz über die Gedenkveranstaltung der israelitischen Kultusgemeinde.

Propalästinensische Kundgebung untersagt

Unterdessen wurde eine für Mittwochabend angemeldete propalästinensische Demo in der Wiener Innenstadt wenige Stunden zuvor untersagt. Dieser Schritt sei „zulässig und geboten“, sagte Wiens Polizeipräsident Gerhard Pürstl. Man habe in diese Richtung vorgehen müssen, um zu verhindern, „dass der gewalttätige Konflikt im Nahen Osten auf die Straßen Wiens getragen wird“. Trotz des Verbots versammelten sich einige hundert Demonstranten auf dem Stephansplatz – mehr dazu in Propalästinensische Demo in Wien untersagt.