ABD0010_20231101 – WIEN – …STERREICH: In der Nacht auf Allerheiligen ist auf dem jŸdischen Teil des Wiener Zentralfriedhofs offenbar ein Brand gelegt worden. Der Vorraum der Zeremonienhalle beim IV. Tor des Wiener Zentralfriedhofs sei ausgebrannt. Im Bild: Einsatzfahrzeuge der Polizei am Mittwoch, 01. November 2023, vor dem Tor IV am Zentralfriedhof. – FOTO: APA/GEORG HOCHMUTH
APA/GEORG HOCHMUTH
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Chronik

Brandanschlag: Spurenträger sichergestellt

Nach dem Brandanschlag auf den jüdischen Teil des Wiener Zentralfriedhofs laufen die Ermittlungen laut Polizei auf Hochtouren. Im ausgebrannten Vorraum der Zeremonienhalle wurden Spurenträger sichergestellt.

Details, um welche Spuren es sich handelt, wollte die Polizei aus kriminaltaktischen Gründen am Donnerstag nicht bekanntgeben, wie Sprecherin Julia Schick erklärte. Die Brandgruppe des Landeskriminalamts (LKA) und Beamte des Landesamts für Verfassungsschutz und Terrorismusbekämpfung (LVT) sind mit den Ermittlungen betraut.

Friedhofsteil wurde überwacht

Auf der Außenmauer wurden von dem oder den Tätern auch nationalsozialistische Zeichen – ein Hakenkreuz und der Schriftzug „Hitler“ – aufgesprüht. Ermittelt wird wegen des Verdachts der Brandstiftung, der Sachbeschädigung und wegen Wiederbetätigung. Diesbezüglich wurden Anzeigen gegen unbekannt gelegt. Wie die Täter auf den Friedhof und in den Vorraum der Halle gekommen sind, ist noch unklar.

Der Teil des Friedhofs beim IV. Tor wurde laut Polizei überwacht. Auch das werde jetzt von den zuständigen Behörden ausgewertet. Aus einsatztaktischen Gründen wollte die Pressesprecherin hier aber keine Details, wie die Überwachung durchgeführt wurde, nennen. „Der Schutz von Menschen hat höchste Priorität“, sagte Schick.

Jüdischer Friedhof offenbar in Brand gesetzt
ORF/Katharina Weinmann
Der Friedhof wird angeblich wie alle jüdischen Einrichtungen bewacht

Ludwig und Deutsch „bestürzt“

Der Präsident der Israelitischen Kultusgemeinde (IKG), Oskar Deutsch, und Wiens Bürgermeister Michael Ludwig (SPÖ) zeigten sich in einer gemeinsamen Stellungnahme erschüttert über den Vorfall. „Wir verurteilen die Vorkommnisse im Zusammenhang mit dem Brand des Teils der Jüdischen Zeremonienhalle am Zentralfriedhof und sind bestürzt über diesen weiteren antisemitischen Vorfall. In unserer Welt darf jegliche Form von Gewalt, Diskriminierung und Hetze gegen eine Community keinen Platz haben.“ „Ein friedliches und respektvolles Zusammenleben hat in unserer Stadt oberste Priorität. Es ist unsere historische Verpflichtung, jüdisches Leben und jüdische Institutionen zu schützen“, bekräftigte der Bürgermeister seine „volle Solidarität“ mit Jüdinnen und Juden.

Deutsch verwies darauf, dass die Polizei am Donnerstag den Verdacht der Brandstiftung als Ursache des Feuers geäußert habe. „Diese und die näheren Umstände der Tat sind nach wie vor Gegenstand intensiver Ermittlungen der LPD Wien, des LKA Wien und des Verfassungsschutzes“. Das betroffene Gebäude wurde laut IKG vorübergehend behördlich gesperrt, die Gräber können ungehindert besucht werden.

Auch betonte Deutsch, dass seit dem Angriff der Hamas auf Israel am 7. Oktober in Österreich 165 antisemitische Vorfälle zu verzeichnen gewesen seien. „Das sind Zeichen, die wir zu lesen gelernt haben“, sagte Deutsch. „Umso wichtiger ist es heute, Donnerstag, um 18.00 Uhr, zum Lichtermeer beim Wiener Heldenplatz zu kommen“, so Deutsch.

Schulterschluss gegen Antisemitismus

Unterdessen kritisierte am Donnerstag der Koordinierungsausschusses für christlich-jüdische Zusammenarbeit den Brandanschlag scharf und rief zum Schulterschluss gegen Antisemitismus auf. Auch wies der Ausschuss in einer Aussendung auf den Zeitpunkt des antisemitischen Vorfalls hin: „Eine Woche vor dem Gedenken an die Novemberpogrome am 9. November 1938 und am Tag vor dem 3. Jahrestag des islamistischen Mordanschlags, der vor dem Stadttempel seinen Ausgang nahm, macht uns der Brandanschlag auf die Zeremonienhalle des jüdischen Friedhofs in Wien entsetzt und um die Möglichkeit angstfreier Religionsausübung sehr besorgt.“

Seitens der evangelische Kirche zeigte sich am Donnerstag der reformierte Landessuperintendent Thomas Hennefeld „zutiefst erschüttert“ über die Brandlegung im jüdischen Teil des Wiener Zentralfriedhofs. Hennefeld – auch Beauftragter der evangelischen Kirche für den christlich-jüdischen Dialog – mahnte gegenüber dem evangelischen Pressedienst ein, dem Antisemitismus keinen Raum zu geben und entschieden gegen alle einzutreten, die ihn schürten. Bereits am Mittwoch hatte der evangelisch-lutherische Bischof Michael Chalupka den antisemitischen Angriff verurteilt.