Wiederkehr und Himmer bei der Präsentation der Maßnahmen
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Bildung

Wien schnürt Gewaltschutzpaket für Schulen

Bildungsstadtrat Christoph Wiederkehr (NEOS) und der Wiener Bildungsdirektor Heinrich Himmer haben heute ein Gewaltschutzpaket für Schulen präsentiert. Vorgesehen sind etwa mehr Einsatzteams für gröbere Fälle und Förderklassen für auffällige Kinder.

In dem Paket geht es um Maßnahmen gegen Mobbing, Übergriffe und etwa Vandalismus. Ausgebaut werden Eingreifteams, die in besonders brenzligen Fällen an die Schulen kommen. Sie bestehen unter anderem aus Sozialarbeiterinnen und Sozialarbeitern. Hier ist eine Aufstockung um zehn Personen geplant. Intensiviert werden auch Antigewalttrainings.

Weiters soll die Möglichkeit geschaffen werden, dass auffällig gewordene Schülerinnen und Schüler eigene, kleinere Förderklassen besuchen, in denen sie intensiver betreut werden. Das könne etwa bei Kindern mit psychischen Erkrankungen sinnvoll sein, hieß es heute. Auch soll Eltern die Möglichkeit geboten werden, an einzelnen Tagen in der Schule mit dabei zu sein. Und das Therapieprojekt „Familie in Schule“ wird von 220 auf 800 Plätze aufgestockt.

Mehr Gewalttrainings an Wiener Schulen

An den Wiener Schulen soll künftig vermehrt auf Sozialarbeit und Gewalttrainings gesetzt werden. Dadurch sollen Lehrerinnen und Lehrer bei Mobbingfällen, Übergriffen und Vandalismus entlastet werden.

Pflichtgespräch für Eltern bei Suspendierung

Die Einrichtung altershomogener Klassen ist ebenfalls eine Option. Denn mitunter, so erläuterte Bildungsdirektor Himmer, würden deutlich ältere, vielleicht mehrfach zurückgestellte Kinder mit jüngeren in einer Klasse sitzen. Das schaffe manchmal Probleme. Verstärkt will man auch gesundheitliche Themen ins Auge fassen. Mitunter seien etwa Erkrankungen wie Diabetes Anlass für auffälliges Verhalten, gab man zu bedenken.

Einen Schwerpunkt will man auch bei den Suspendierungen setzen, die als letzte Konsequenz ausgesprochen werden. Hier wird es Rückkehrpläne mit Betreuungsmaßnahmen für betroffene Schülerinnen und Schüler geben. Bei einer Suspendierung sollen Eltern bzw. Erziehungsberechtigte an einem verpflichtenden Gespräch teilnehmen müssen. Wird dieses abgelehnt, wird der Fall an die Kinder- und Jugendhilfe übergeben. „Denn hier endet die Kompetenz der Schule“, betonte Himmer.

528 Anzeigen, 814 Suspendierungen

Schule solle sowohl für Schülerinnen und Schüler als auch für Lehrkräfte ein angstfreier Raum sein, betonte Bildungsstadtrat Wiederkehr. Man sehe aber, dass das nicht immer der Fall sei. In den gravierendsten Fällen setzt es Anzeigen oder gar Schulverweise.

Konkret wurden im vergangenen Schuljahr 528 Anzeigen erstattet. Zudem gab es 814 Suspendierungen, die 664 Schülerinnen bzw. Schüler betrafen. Das bedeutet, dass einige wiederholt für mehrere Wochen nicht in die Schule kommen durften. Die drei Spitzenreiter kamen sogar auf fünf Verweise. Auch, wenn die Zahlen mit den vorangegangenen Jahren aufgrund der Pandemie nicht vergleichbar wären, seien sie „wirklich problematisch“, befand Wiederkehr.

Man habe schon bisher zahlreiche Maßnahmen umgesetzt, um hier gegenzusteuern, so der Stadtrat. Er nannte etwa Unterstützungen für Klassen, eine bereits bestehende Hotline und spezielle Programme zur Gewaltprävention.

Laut Himmer keine zusätzliche Belastung für Lehrkräfte

Bildungsdirektor Himmer beteuerte, dass die Pädagoginnen und Pädagogen, die ohnehin schon viele Aufgaben wahrnehmen müssten, für die neuen Maßnahmen nicht noch weiter in die Pflicht genommen werden. „Kein einziger Punkt belastet die Lehrer zusätzlich“, versicherte er. Es sei auch sinnvoll, dass in schwerwiegenden Fällen – etwa bei expliziten Drohungen – die Polizei verständigt werde. Denn hier ende die Kompetenz der Schule bzw. der Lehrkräfte.

Die Exekutive ist auch bei jenem Runden Tisch mit dabei, in dem – unabhängig von den am Freitag präsentierten Maßnahmen – das Thema Gewalt an Schulen behandelt wird. Das Gesprächsforum wurde 2018 eingerichtet. Aktuell beschäftigt man sich mit terrorverherrlichenden Vorfälle, Gewaltaufrufen oder antisemitischen Parolen im Vorfeld bzw. bei Kundgebungen nach dem Hamas-Angriff auf Israel.

Für ÖVP „Schritt in richtige Richtung“

Die Wiener ÖVP bezeichnete die nun angekündigten Time-out-Förderklassen für auffällige Kinder in einer Aussendung als „Schritt in die richtige Richtung“. Es stelle sich jedoch die Frage, wie diese angesichts des akuten Lehrermangels umgesetzt werden können. Zudem sei es längst überfällig, die Eltern mehr in die Pflicht zu nehmen.

Kritik übte die ÖVP hingegen daran, dass Extremismus- und Gewaltprävention in Wien nicht „flächendeckend und permanent“ stattfinden würde. Zudem würden im aktuellen Paket Maßnahmen gegen „islamistische Sittenwächter“ fehlen, wie sie ÖVP und Grüne jüngst im Gemeinderat in einem Beschlussantrag eingebracht hätten.

Gewerkschafter: „Sich immer weiter zuspitzende Lage“

Erst kürzlich hatte die Wiener Lehrergewerkschaft vor einer zunehmenden Radikalisierung an Wiener Schulen gewarnt. „Wir spüren die sich immer weiter zuspitzende Lage täglich in unseren Schulen“, meinte zuletzt der Wiener Pflichtschullehrergewerkschafter Thomas Krebs (fcg). Man warne schon seit Jahren, doch die Verantwortlichen hätten bisher auf die Problemlage nicht reagiert. Schülerinnen und Schüler würden etwa politisch- bzw. religiös-extremistische Haltungen in die Schule bringen und den Rechtsstaat verhöhnen.

Krebs nannte als Beispiele „selbst ernannte Sittenwächter“ und frauenverachtendes Verhalten. Er wisse von Direktionen, dass Schülerinnen und Schüler aufgrund der Radikalisierung in die Bandenkriminalität abrutschen können.