Ulrich Elling
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Gesundheit

Höhepunkt der CoV-Welle vermutlich erreicht

Derzeit stecken sich in Österreich so viele Menschen mit dem Coronavirus an wie noch nie. Der Höhepunkt der Welle könnte nun jedoch erreicht sein, sagt der Molekularbiologe Ulrich Elling. Um für die Zukunft besser gewappnet zu sein, fordert er etwa Impfangebote in Supermärkten.

„Wir haben ja ein relativ gutes Abwasser-Überwachungssystem in Österreich“, erklärte Elling am Samstag in der Interviewreihe „Bei Budgen“. Es sehe nun tatsächlich so aus, als würde es in einigen Regionen zu kippen beginnen: „Da sind noch Unsicherheiten drin, weil ja gerade eine neue Variante reinkommt. Aber es sieht so aus, als ob wir zumindest den Höhepunkt erreicht haben“, so der Experte.

Bis zu zwei Millionen Infektionen möglich

Die aktuelle Welle werde aber „sicherlich noch bis Weihnachten und darüber hinaus gehen“. Der Molekularbiologe erwartet insgesamt bis zu zwei Millionen Infektionen in Österreich. „Wir hatten einen sehr ruhigen Sommer, damit ist die Immunität im Land sozusagen runter gegangen, und jetzt wird die Immunität durch diese riesengroße Welle erwartungsgemäß wieder aufgefüllt“, sagte Elling.

Langversion: Ulrich Elling zu Gast in der Reihe „Bei Budgen“

Die nun virulente neue Variante trägt die Bezeichnung „JN.1“, Fachleute nennen sie auch „Pirola“. Sie unterscheide sich laut Elling „sehr stark“ von den vorigen Varianten. So habe die Omikron-Variante im Vergleich zum Originalvirus über 30 Mutationen an dem sogenannten Spike-Protein aufgewiesen – „Pirola“ habe nun noch einmal über 30 Mutationen obendrauf.

Forderung nach besser zugänglichen Daten

Der Molekularbiologe forderte im Interview unter anderem, dass Informationen zum Infektionsgeschehen noch niederschwelliger für die Bevölkerung zugänglich sein müssten – um eigenverantwortlich handeln zu können. Denn: „Irgendwie habe ich den Eindruck, viele hat diese große Coronawelle überrascht.“

Auf den diversen Abwasser-Dashboards sei die Welle jedoch schon seit Monaten absehbar gewesen. „Hätten die Leute das kommen sehen, hätten sie sich auch besser impfen können. Und damit wären wir in der Gesellschaft schon besser vorbereitet gewesen“, meinte Elling. Seit Beginn der Pandemie habe sich jedoch schon einiges verbessert, konstatierte er auch – anfangs seien die Daten regelrecht unter Verschluss gehalten worden.

"Die Impfung dieses Jahr ist besonders gut“

Für viele Menschen sei es diesmal allerdings wirklich schwierig gewesen, an eine Impfung gegen das Coronavirus zu kommen, kritisierte der Experte. Die Durchimpfungsrate liege im Moment bei 4,5 Prozent. Dabei seien allein 20 Prozent der Bevölkerung 65 oder älter – also in der Gruppe, für die eine Auffrischungsimpfung besonders empfohlen ist.

„Die Impfung dieses Jahr ist besonders gut“, betonte Elling. Er forderte, das Impfen so einfach wie möglich zu machen – und Impfungen beispielsweise auch in Supermärkten oder an vergleichbaren Orten anzubieten. „Wir müssen uns ein Ziel setzen, wie viel Durchimpfung wir erreichen wollen. Und dann müssen wir einfach überlegen, wie wir da hinkommen. Und nicht sagen, wir impfen bei Hausärzten und dann schauen wir mal, wo wir hinkommen.“

In Spitälern vor allem Personalausfälle das Problem

In den Krankenhäusern erwartet Elling trotz der massiven Welle keine vergleichbar kritische Situation wie in der Delta-Welle. Derzeit gebe es pro Woche rund 1.100 CoV-Einweisungen auf die Normalstationen. In der Delta-Welle seien es zu Spitzenzeiten fast 4.000 gewesen. Die Einweisungen werden „schon noch steigen, aber wir werden deutlich darunter bleiben“, so Elling. Das Thema in den Krankenhäusern sei eher, dass bei vielen Infektionen auch viel Personal ausfalle.

Im Gesundheitsbereich plädierte Elling für eine Maskenpflicht über das Hausrecht, wie zuletzt auch die Virologin Monika Redlberger-Fritz. Denn: „Da sitzen dann im Wartezimmer vulnerable Personen, die verschiedene Krankheiten haben, direkt neben Influenza-, RSV und Covid-Patienten.“ Das könne nicht das Ziel des Gesundheitssystems sein.

Elling empfiehlt möglichst seltene Ansteckung

Wie wird es nach dieser Welle weitergehen? Noch seien keine Varianten ersichtlich, von denen erwartet werde, dass sie die nächste Welle verursachen, schilderte der Molekularbiologe. „Letztes Jahr hatten wir eine vor Weihnachten und eine im Spätwinter. Es ist gut möglich, dass das wieder so ist. Es kann aber auch sein, dass die Welle jetzt so hoch ist, dass wir damit quasi durch die Wintersaison kommen.“

Weitere Wellen würden jedoch folgen – und individuell sei es „für jeden das Beste, sich möglichst selten mit Corona anzustecken. Das muss einfach das Ziel sein.“ So bringe zwar eine zweite oder dritte Infektion etwa kein größeres Long-Covid-Risiko mit sich als die erste – aber das Risiko akkumuliere sich, betonte Elling.