Sessel auf Tischen und Tafel in leerem Klassenzimmer in Schule
APA/Eva Manhart
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Bildung

Schulsuspendierungen mehr als verdoppelt

Wenn Kinder und Jugendliche in der Schule wiederholt durch Gewalt auffallen, können sie für bis zu vier Wochen vom Unterricht ausgeschlossen werden. Das passiert immer öfter, in Wien gab es im Schuljahr 2022/23 etwa 814 Suspendierungen, die meisten davon in Mittelschulen.

Sieht man sich die Zahlen aus einer Anfragebeantwortung von Bildungsminister Martin Polaschek (ÖVP) an, ist die Anzahl der Suspendierungen deutlich gestiegen: Im Schuljahr 2018/19 (vor allen Einschränkungen durch die Cov-Pandemie) wurden in Wien 303 Suspendierungen durchgeführt – die Zahl hat sich also mehr als verdoppelt. Das betrifft alle Schulstufen: So wurden 2018/19 in Wien 58 Volksschüler und Volksschülerinnen suspendiert, im vergangenen Schuljahr waren es 116.

Dabei kann die Maßnahme auch einen Schüler oder eine Schülerin mehrfach betreffen, in Wien gab es zuletzt etwa 814 Suspendierungen bei 664 (meist männlichen) Kindern und Jugendlichen.

Suspendierung als Sofortmaßnahme

Dabei ist die Suspendierung eine Sofortmaßnahme, um Gefahr von den Mitschülern oder Lehrern abzuwenden, wie der oberste Lehrervertreter Paul Kimberger (FCG) betont. „Meistens ist aber davor schon einiges vorgefallen.“ Die Suspendierung sei allerdings keineswegs als Maßnahme geeignet, um Gewaltphänomenen entgegenzuwirken. Damit wolle man nur das Umfeld schützen.

Für die auffälligen Schülerinnen und Schüler selbst brauchte es professionelles Unterstützungspersonal (Psychologinnen, Sozialarbeiter), das sie in und außerhalb der Schule unterstütze. „Da stecken ja immer Schicksale dahinter.“ Kimberger setzt in diesem Zusammenhang auch weiter auf Time-out-Klassen. Dort sollten Schüler, die im normalen Klassenverband nicht mehr führbar sind, in einem separaten Bereich entsprechende Unterstützungsangebote bekommen.

„Es gibt keine Grenzen mehr“

Vom Bildungsministerium habe es zwar mehr Mittel für Supportpersonal gegeben, aber das reiche anscheinend nicht. Schulen seien mitunter mit immer extremeren Formen von Gewalt konfrontiert, sagt er mit Verweis etwa auf einen aktuellen Fall in Wien, wo ein Mädchen am Schulklo eine Mitschülerin mit einem Stanleymesser schwer verletzt hat. Gewalt sei in der Schule immer noch ein Minderheitenphänomen, aber ein wachsendes.

„Auseinandersetzungen in der Schule gab es früher auch, aber jetzt gibt es keine Grenzen mehr“, so Kimberger. Durch die intensive Nutzung sozialer Netzwerke könnten manche offensichtlich nicht mehr zwischen Fiktion und Wirklichkeit unterscheiden.

Mehr Suspendierungen, weil Sensibilität steigt

Experten wie Jürgen Bell, Leiter der Schulpsychologie in der Wiener Bildungsdirektion, betonen dabei, dass die Zunahme der Suspendierungen nicht gleichzusetzen sei mit einer Zunahme der Gewalt an den Schulen. Die Sensibilität für das Thema habe zugenommen, die Schulen würden Gewalt schneller ahnden. Zusätzlich würden die Auswirkungen der Krisen der vergangenen Jahre und der Gegenwart sich auch in den Schulen niederschlagen.

Für Lehrervertreter Kimberger ist jedenfalls klar, dass die Schulen das Thema Gewalt alleine nicht lösen könnten. Die Probleme würden in Öffentlichkeit und Politik kleingeredet, kritisiert er. „Es ist an der Zeit, nicht nur die Symptome, sondern die Ursachen zu behandeln.“

Eltern sollen stärker in Pflicht genommen werden

„Die Schule kann nicht alles selber leisten“, betont auch Schulpsychologe Bell. In Wien will man deshalb bei Gewaltproblemen die Eltern stärker als bisher in die Pflicht nehmen. Verweigern diese etwa nach einer Suspendierung des Nachwuchses die angebotene Beratung durch Schulpsychologie oder -sozialarbeit, geht eine Gefährdungsmeldung an die Kinder- und Jugendhilfe.

„In der Schulpartnerschaft braucht es auch die Eltern.“ An den Standorten selbst soll es laut dem Ende 2023 vereinbarten Gewaltschutzpaket auch die von den Lehrern eingemahnten „Time-out“-Optionen geben, bei denen auffällige Schülerinnen und Schüler in eigenen Förderklassen intensive Betreuung bekommen.