Schild „Saal 16“ im Wiener Landesgericht
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Gericht

Kritik an Freispruch für Wiener Polizisten

Kritik gibt es am Urteil für einen Wiener Polizisten. Der Mann war von dem Vorwurf des Amtsmissbrauchs freigesprochen worden. Er soll bei einer Amtshandlung den Kopf eines bereits zu Boden gebrachten 19-Jährigen mehrmals auf den Asphalt geschlagen haben.

Für den 19-Jährigen sei diese Entscheidung „schwer nachvollziehbar“, sagte dessen Anwalt. Auch Amnesty International meldete sich zu Wort: „Freisprüche in Fällen mutmaßlicher Polizeigewalt können oft eine abschreckende Wirkung auf die Betroffenen haben, insbesondere dann, wenn auch Video- oder Bildmaterial vorliegt“, meinte Shoura Zehetner-Hashemi, Geschäftsführerin von Amnesty International Österreich.

Grundsätzlich gelte, „dass die Polizei auch in brenzligen Situationen in erster Linie deeskalierend agieren muss“. In Zukunft müssten „gerade solche Fälle von der neu eingerichteten Ermittlungs- und Beschwerdestelle gründlich untersucht werden, um Missbrauchsvorwürfe gegen die Polizei zu klären“, betonte Zehetner-Hashemi. Sie appellierte an „alle Betroffenen, sich in solchen Situationen an diese Stelle zu wenden, um sicherzustellen, dass ihre Anliegen angemessen und transparent behandelt werden“.

Freispruch kam überraschend

Auch der von der gewalttätigen Amtshandlung Betroffene ist verwundert. Er hatte bei dem Vorfall eine stark blutende Rissquetschwunde oberhalb des rechten Auges erlitten. Die Amtshandlungen wurden nicht nur von einem TV-Kameramann aufgezeichnet, sondern auch von einem Augenzeugen und einer Überwachungskamera eines nahe gelegenen Lokals. „Für ihn ist der Freispruch aufgrund der sehr starken Videobeweise schwer nachvollziehbar“, meinte Clemens Lahner, der Anwalt des 19-Jährigen.

Das Urteil ist nicht rechtskräftig. Die Staatsanwaltschaft legte Berufung ein und unterstellte dem vorsitzenden Richter darüber hinaus Befangenheit. Zuvor hatte das Verwaltungsgericht Wien die Amtshandlung als rechtswidrig bezeichnet. Lahner hatte dort gegen das polizeiliche Vorgehen eine Maßnahmenbeschwerde eingebracht und diese gewonnen, wobei die Landespolizeidirektion auf eine Gegenschrift verzichtete.

Ohne dass eine Verhandlung anberaumt werden musste, stellte das Verwaltungsgericht eine Rechtsverletzung durch die Schläge unter Zu-Boden-Drückens des betroffenen 19-Jährigen in Bauchlage fest. Dessen Rechtsvertreter wird auf Basis dieses Erkenntnisses Schadenersatzansprüche nach dem Amtshaftungsgesetz geltend machen. Ein entsprechendes Aufforderungsschreiben werde demnächst an die Finanzprokuratur ergehen, kündigte Lahner an.

Gericht sah keinen Befugnismissbrauch

Der Schöffensenat sah beim Angeklagten keinen wissentlichen Befugnismissbrauch, der Polizist habe bei seiner Gewaltausübung auch „nicht das gerechtfertigte Ausmaß“ überschritten, hieß es am Mittwoch in der Begründung – mehr dazu in Kopf gegen Asphalt: Polizist freigesprochen.