Gedenkkundgebung gegen Femizide am Samstagabend in Wien-Brigittenau
APA/Max Slovencik
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Chronik

An einem Tag so viele Femizide wie in ganz 2023

Binnen 24 Stunden seien in Wien so viele Frauen von Männern getötet worden „wie im gesamten Jahr 2023“, so der Verein Autonome Österreichische Frauenhäuser (AÖF). Vier Frauen und ein Mädchen wurden am Freitag gewaltsam ums Leben gebracht.

Freitagfrüh waren eine 13-Jährige und ihre 51-jährige Mutter im Bezirk Landstraße tot aufgefunden worden. Als tatverdächtig gilt der vorerst verschwundene 53-jährige Ehemann und Vater. Die Fahndung nach ihm läuft weiter auf Hochtouren. Am Freitagabend wurden drei Frauen in einem Brigittenauer Bordell erstochen. Ein 27-Jähriger wurde als Tatverdächtiger festgenommen.

51 Mordversuche und schwere Gewaltfälle

2023 wurden österreichweit laut den AÖF-Daten 26 Femizide verübt, zusätzlich habe es 51 Mordversuche bzw. Fälle schwerer Gewalt an Frauen gegeben. „Gewalt an Frauen ist ein strukturelles und gesamtgesellschaftliches Problem. Österreich ist das einzige Land in der EU, in dem mehr Frauen als Männer durch Männerhand getötet werden“, wurde erläutert. Gewalt „betrifft in Österreich jede dritte Frau“, hieß es weiter.

Der Verein fordert „eine weitere Stärkung des Opferschutzes für gewaltbetroffene Frauen. Jede Frau in Österreich hat das Recht auf ein gewaltfreies Leben. Die Opfer müssen noch stärker geschützt und die Täter müssen zur Verantwortung gezogen werden“. Präventionsprojekte sollten ausgebaut werden.

Kritik an Schweigen der Frauenministerin

Von Marion Polaschek, Vorsitzende der Unabhängigen Gewerkschaftsfraktion im ÖGB, kam indes Kritik am „lauten Schweigen seitens der Bundesregierung“ und der zuständigen Frauenministerin Susanne Raab (ÖVP). „Die Haltung, dass in Österreich ohnehin schon so viel gemacht wird und kein akuter Bedarf an neuen Programmen bestehe, ist schlicht nicht mehr haltbar“, meinte sie.

Rufe nach Krisensitzung

Schon am Samstag gab es zahlreiche Rufe nach mehr Maßnahmen gegen Gewalt. Die Vorsitzende des Österreichische Frauenrings, Klaudia Frieben, drängte etwa auf eine „sofortige Krisensitzung“. Auch zahlreiche Politikerinnen und Politiker meldeten sich zu Wort. Am Samstagabend fand in der Nähe des Tatorts in Wien-Brigittenau eine Gedenkkundgebung statt, zu der die LINKS-Bezirkspartei aufgerufen hatte.

Gedenkkundgebung nach Femiziden in Wien

Am Samstagabend fand in Wien-Brigittenau eine Gedenkkundgebung statt, in der Nähe eines der Tatorte in der Engerthstraße

Das Innenministerium erklärte in einer Stellungnahme, dass nicht jeder Frauenmord automatisch in das Feld ‚häusliche Gewalt‘ eingeordnet werden dürfe. „Zu sagen, Österreich sei in diesem Deliktsfeld besonders belastet, ist statistisch nicht haltbar“, betonte ein Sprecher zudem. Laut Zahlen von Eurostat, dem EU-Statistikamt, die derzeit bis 2021 vorliegen würden, liege Österreich im europaweiten Durchschnitt und teilweise sogar darunter. Das zeige auch eine Studie des Instituts für Konfliktforschung aus dem vorigen Jahr.

Mit dem Instrument des seit 2021 verpflichtenden Anti-Gewalttrainings für Gefährder sei Österreich zudem „internationaler Vorreiter“, hieß es weiter. Zum Anstieg der Betretungsverbote in einer Stellungnahme wurde erklärt, dies sei "aus kriminalpolizeilicher Sicht positiv, weil wir das Dunkelfeld von häuslicher Gewalt in das Hellfeld rücken wollen“.