Zwei Kaffeetassen werden serviert
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Wirtschaft

Umfrage: Belästigung in Gastronomie häufig

In der Wiener Gastronomie sind 79 Prozent der Arbeitnehmerinnen schon sexuell belästigt worden bzw. haben Vorfälle beobachtet, zeigt eine Umfrage der Arbeiterkammer. Gemeinsam mit Wirtschaftskammer und Gewerkschaft soll nun ein Schutzkonzept entwickelt werden.

79 Prozent der befragten Frauen und 54 Prozent der Männer haben laut der Umfrage schon einmal sexuelle Belästigung erlebt bzw. beobachtet. Für rund 62 Prozent aller Befragten war das bereits mehrmals der Fall.

60 Prozent gaben zudem an, dass Vorgesetzte und der Betrieb nach Meldung eines sexuellen Übergriffs gar nichts dagegen unternommen hätten. In 28 Prozent der Fälle wurde die Belästigung gar nicht erst gemeldet, weil sich Betroffene keine Hilfe erwarteten.

Umfrage als Basis für Gespräche über Schutzkonzept

Die Onlineumfrage war als Basis für Gespräche über ein Schutzkonzept durchgeführt worden, und zwar von November bis Dezember 2023. Befragt wurden 881 Beschäftigte in der Wiener Gastronomie, 72 Prozent waren weiblich, 26 Prozent männlich, einige Personen non-binär.

Die Befragten seien nicht speziell gefiltert worden, deshalb seien die Ergebnisse nicht repräsentativ, hieß es seitens der Arbeiterkammer (AK) Wien. „Wir haben eine Befragung so konzipiert, dass alle, die im Gastgewerbe arbeiten, eingeladen waren, teilzunehmen“, erklärte Ludwig Dvorak, Leiter der arbeitsrechtlichen Beratung der Arbeiterkammer Wien, am Freitag auf einer Pressekonferenz. Aufgrund der Stichprobengröße seien die Ergebnisse dennoch aussagekräftig.

Externe Anlaufstelle als Möglichkeit

Die Gespräche rund um ein Schutzkonzept stünden derzeit noch ganz am Anfang. Es bestehe aber immerhin Einigkeit mit der Fachgruppe Gastronomie der Wirtschaftskammer, dass es ein Konzept braucht, sagte Olivia Janisch, stellvertretenden Vorsitzende der Gewerkschaft vida und vida-Bundesfrauenvorsitzende.

Aktuell würden verschiedene Möglichkeiten diskutiert, etwa Schulungen für Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter, in denen sie über ihre Rechte aufgeklärt werden, und auch für Führungskräfte zum richtigen Umgang mit Fällen von Belästigung. Eine weitere Möglichkeit wäre die Einrichtung einer externen Anlaufstelle. „Es gibt mehrere Möglichkeiten, da ist man jetzt gerade dabei, genau festzulegen, wie das dann auch für alle Betriebe gut umsetzbar ist“, sagte Janisch.

Täter laut Umfrage hauptsächlich Gäste

Zum Ergebnis der Umfrage, dass in vielen Fällen von sexueller Belästigung offenbar die Gastronomiebetriebe und die Vorgesetzten nicht aktiv wurden, betonte Dvorak, dass diese eine gesetzliche Verpflichtung haben. „Arbeitgeber:innen müssen Abhilfe schaffen, am besten, indem sie Täter und Betroffene räumlich trennen, also einen Gast des Lokals verweisen oder Lokalverbot erteilen, den Täter versetzen, oder, wenn das nicht möglich ist, kündigen“, sagte Dvorak.

Im Gastgewerbe geht sexuelle Belästigung hauptsächlich von Gästen aus, laut Umfrage war das für 78 Prozent der Befragten der Fall. Dahinter folgten Kolleginnen und Kollegen mit 48 Prozent und Vorgesetzte mit 35 Prozent. In elf Prozent der Fälle waren es andere, etwa Lieferanten.

Forderung nach höherem Schadenersatz

Grundsätzlich verzeichnen die Arbeiterkammer Wien und die Gewerkschaft vida in den vergangenen Jahren eine Häufung von Fällen sexueller Belästigung am Arbeitsplatz. „Wir merken, dass viele Betriebe bei einem Vorfall von sexueller Belästigung nicht so richtig wissen, wie sie darauf reagieren sollen“, sagte Dvorak. Das liege zum einen daran, dass Übergriffe „zum Teil tatsächlich als Normalität wahrgenommen werden“, zum anderen seien Unternehmen oft nicht ausreichend auf solche Situationen vorbereitet.

„Es muss strukturell Vorsorge getroffen werden“, so Dvorak. Notwendig seien verbindliche Normen in den Kollektivverträgen, aber auch im Gesetz. So fordert die Arbeiterkammer etwa eine Erhöhung des Schadenersatzes auf mindestens 5.000 Euro, wenn Betriebe nachweislich keine Maßnahmen gegen sexuelle Belästigung gesetzt haben.

Bei sexuellen Übergriffen können sich betroffenen auch an die AK oder die Gewerkschaft wenden. Die Erfolgsquote vor Gericht sei hoch, „wir müssen aber dafür sorgen, dass die Belästigung gar nicht erst passiert, dafür braucht es Strukturen“, betonte der Leiter der arbeitsrechtlichen Beratung der Arbeiterkammer Wien.

EY-Studie: Ein Drittel hat Diskriminierung im Job erfahren

Rund ein Drittel aller Angestellten hat unterdessen einer europaweiten Umfrage zufolge schon einmal Diskriminierung am Arbeitsplatz erlebt. Das zeigt eine Analyse der Beratungs- und Prüfungsgesellschaft EY. Demzufolge gaben 31 Prozent der befragten Männer und 36 Prozent der Frauen an, bereits bei der Arbeit diskriminiert worden zu sein.

Für die Studie wurden laut EY 1.800 Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer in neun europäischen Ländern befragt, darunter auch 200 Menschen in Österreich. Die Hälfte der Befragten waren leitende Angestellte. Die Befragung fand im September und Oktober 2023 online statt.

Laut EY meldete nur etwas weniger als die Hälfte davon (49 Prozent) die Vorfälle bei Vorgesetzten oder anderen Ansprechpersonen. Männer (54 Prozent) wagten den Schritt dabei noch etwas häufiger als Frauen (46 Prozent). Die Situation sei nicht in jedem Unternehmen gleich: Ist die Führungsebene divers und inklusiv aufgestellt, gibt es laut der Studie weniger Erfahrungen mit Diskriminierung (29 Prozent).