Auf 1.789 Kilometern Wiener Straßen herrschte Ende des vergangenen Jahres Tempo 30 – das sind zwei Drittel aller Straßen. Die ersten 30er-Zonen wurden 1987 eingeführt. Im August montierten Mitarbeiter der MA 46 (Verkehrsabteilung) unter anderem in der Egon-Friedell-Gasse in Floridsdorf die Verkehrsschilder. Insgesamt kamen im ersten Jahr 33 Kilometer dazu. Alleine in den ersten zehn Jahren wuchs die Länge der 30er-Zonen auf über 1.000 Kilometer an.

Probleme mit Tempo 30
Aber selbst heute ist die Tempobeschränkung ein Aufregerthema. Als vor Kurzem die grüne Bezirksvorsteherin der Leopoldstadt, Uschi Lichtenegger, bei der Einführung von Tempo 30 in der Praterstraße vorpreschte, schäumte die Opposition, und selbst der rote Regierungspartner verweigerte die Zustimmung im Bezirk.
Selbst wenn dann einmal eine Geschwindigkeitsgrenze eingeführt ist, halten sich nicht immer alle Verkehrsteilnehmer daran. In der Ruckergasse in Meidling etwa. Bei einem „Wien heute“-Test mit einer Radarpistole sind zahlreiche Autofahrer zu schnell. Den Verkehrsforscher Ulrich Leth von der Technischen Universität (TU) Wien überrascht das nicht. „Die Ruckergasse ist sehr breit, es gibt teilweise keine Mittelmarkierungen. Der Straßenraum schaut eigentlich aus wie eine Autobahn.“
Neubau soll 30er-Zone werden
Eine 30er-Zone müsste auch optisch wie eine wirken, sagte Leth. Ein Positivbeispiel ist die Zieglergasse im siebenten Bezirk. „Wir haben eine deutlich schmälere Fahrbahn, wir haben Bodenschwellen, die die Geschwindigkeit deutlich senken, auch Radfahren gegen die Einbahn ist ermöglicht. Und wir haben auf beiden Seiten Parkspuren, die noch einmal verengen und zu niedrigerer Geschwindigkeit beitragen“, erklärte der Forscher. Im Schnitt hält sich in Wien die Hälfte der Autofahrer an die 30er-Limits, sagte der Forscher. Das würden punktuelle Messungen in den Bezirken zeigen.
30er-Zonen werden dann häufiger eingehalten, wenn bauliche Maßnahmen gesetzt werden. „Sie müssen das Gefühl vermitteln, dass man sich in einer langsameren Geschwindigkeitszone befindet. Es braucht schmälere Straßenbreiten, es braucht Verziehungen und Einengungen der Fahrbahn selbst – auch Begrünungen können nicht schaden“, so Leth.
Wiener Linien hadern mit 30er-Zonen
Ab dem Frühjahr soll in Neubau praktisch flächendeckend Tempo 30 gelten. Ein Großteil des Bezirks ist schon 30er-Zone, jetzt sollen die Beschränkung aber etwa auch für die Busspuren in der Burggasse und der Neustiftgasse gelten. Den Wiener Linien bereitet das Sorgen. „Wir sind mit dem Bus die gesamte Strecke mit Tempo 30 gefahren und haben gesehen: Wir schaffen es nicht mehr in den Intervallen“, sagte Sprecherin Barbara Pertl.
Das Problem sei laut Wiener Linien vor allem die Länge der 30er-Zonen. Denn bei kurzen Tempobeschränkungen können die Busfahrerinnen und -fahrer die verlorene Zeit wieder aufholen. „Sie müssen sich aber an das Tempolimit halten. Jeder, der sich nicht daran hält, wird gemaßregelt. Wir haben auch einen Fahrtenschreiber und müssen den regelmäßig auswerten lassen“, erklärte Pertl. Der Bezirk Neubau ist jedoch überzeugt, dass es durch das Tempolimit keine Qualitätseinbußen geben wird.
Tempo 30 funktioniert nicht immer
Auf immer mehr Straßen in Wien gilt Tempo 30. Doch die Beschränkung funktioniert nur dann, wenn auch bauliche Maßnahmen damit einhergehen.
ÖAMTC gegen Gießkannenprinzip
Kritisch sieht so manche 30er-Zonen auch der ÖAMTC. „30er-Zonen sind dann, wenn sie als Gießkannen über alles drübergeschüttet werden, wo man die Gefahrenpunkte nicht mehr erkennt, nicht zweckmäßig. Vor allem, wenn man die 30er-Zone hinter sich hat, versucht der eine oder andere die verlorene Zeit wieder aufzuholen“, sagte ÖAMTC-Jurist Martin Hoffer. Zu den Unfällen gibt es für Wien zwar keine Zahlen – in Deutschland hätten sich die Unfälle auf Hauptstraßen mit Tempo 30 aber halbiert.