Visualisierung Stadtstraße Oberes Hausfeld (Stand 2015)
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Politik

NGOs fordern mehr Öffis statt Stadtstraße

Umweltorganisationen haben nach dem Aus für den Lobautunnel auch ein Umdenken bei der ebenfalls heftig umstrittenen Stadtstraße gefordert. Das Geld solle lieber in alternative Verkehrskonzepte sowie den Ausbau des öffentlichen Verkehrs gesteckt werden – vorgeschlagen wurde etwa eine Busspur auf der Südosttangente.

„Die Zeit der Autobahnen ist vorbei“, sagte Agnes Zauner, Geschäftsführerin von Global 2000, bei einer Pressekonferenz. Man sei mitten in einer Klimakrise, das hätten zuletzt die Waldbrände in Österreich, aber auch Tornados in den USA und vergangenen Sommer in Tschechien gezeigt. „Aber wir bauen weiter Autobahnen“, kritisierte Zauner. Wien wolle bis 2040 klimaneutral sein, mit Projekten wie dem Bau der Stadtstraße würden die Klimaziele sicher nicht erreichbar sein. Dabei liege für ein Umdenken bei dem Projekt „alles auf dem Tisch, es fehlt rein am politischen Willen“, konstatierte sie.

Michael Schwendinger, Experte des Verkehrsclubs Österrreich (VCÖ), sagte, die Rahmenbedingungen für die Stadtstraße hätten sich geändert: Sie sei als vierspurige Verbindungsstraße zwischen zwei Autobahnen geplant gewesen, „die es so nicht mehr gibt“. Der Experte: „Wir brauchen sie in dieser Dimension nicht.“ Hingegen gelte es, auf Basis einer neuen Evidenz zu agieren, denn die Stadtstraße sei zu einer Zeit geplant worden, als es die Klimaziele noch nicht gab.

Mehr Öffis statt Stadtstraße gefordert

Umweltorganisationen haben nach dem Aus für den Lobautunnel auch ein Umdenken bei der ebenfalls heftig umstrittenen Stadtstraße gefordert. Das Geld solle lieber in alternative Verkehrskonzepte sowie den Ausbau des öffentlichen Verkehrs gesteckt werden – vorgeschlagen wurde etwa eine Busspur auf der Südosttangente.

„Busspur auf der Südosttangente“ ist möglich

Das Argument, Angebot schaffe Nachfrage, das in Zusammenhang mit Stadtstraße und Lobautunnel gebracht wird, funktioniere genauso für den Ausbau des öffentlichen Verkehrs. „Man muss Strukturen so schaffen, dass es für Menschen möglichst einfach möglich ist, zu Fuß, mit dem Rad oder mit den öffentlichen Verkehrsmitteln unterwegs zu sein“, sagte Schwendinger. Konkret für die Stadterweiterung in der Donaustadt heißt das aus seiner Sicht: Es sollte ein Gesamtkonzept für ein ausgebautes Busliniennetz in dem Bezirk erstellt werden.

„Auch eine Busspur auf der Südosttangente ist nicht verboten“, sagte der VCÖ-Experte. Mittelfristig sollten dazu die Straßen- und die Schnellbahn ausgebaut werden, langfristig wäre laut Schwendinger auch über den viergleisigen Ausbau der Ostbahnbrücke nachzudenken.

Stadtstraße „nicht alternativlos“

Gregor Schamschula, Umweltjurist des Ökobüros, sagte, die Stadtstraße werde fälschlicherweise als alternativlos dargestellt. Dabei sei für ein abgeändertes Verkehrskonzept, das zu dem Stadtentwicklungsprogramm aber passen würde, keine neue Umweltverträglichkeitsprüfung (UVP) notwendig. Es würde ein Änderungsantrag zur UVP mit dem geänderten Verkehrskonzept genügen. „Das ist ein juristischer Ausweg, der sowohl eine nachhaltige Mobilitätspolitik als auch den raschen Bau von leistbarem Wohnraum möglich macht“, betonte Schamschula.

Maria Schachinger, Bodenschutzexpertin des World Wide Fund for Nature (WWF), machte darauf aufmerksam, dass die Stadtstraße auch ein „komplett überdimensioniertes Überbleibsel eines bodenfressenden Megaprojekts ist“. Österreich verbaue derzeit täglich 11,5 Hektar neu, mehr als die Hälfte davon werde versiegelt. Das Ziel sei aber, nicht mehr als 2,5 Hektar pro Tag zu verbauen. Zudem würden Hitzewellen durch Beton verstärkt. „Der Hitzeinsel-Effekt wird immer spürbarer, Luftverschmutzung und Schadstoffe direkt neben Wohngebieten belasten die Menschen“, kritisierte Schachinger.

Sima: Stadtstraße notwendig

Wiens Verkehrs- und Planungsstadträtin Ulli Sima (SPÖ) betonte in einer Aussendung, „dass die Klimamusterstadt Wien immer zuerst auf den Ausbau der Öffis setzt und dies auch weiterhin macht“. Es sei aber klar, „dass eine wachsende Stadt auch höherrangige Straßen braucht, in der Donaustadt leben rund 200.000 Menschen, das entspricht der Größe der Landeshauptstadt Linz“. Die Stadtstraße Aspern sei „wesentlich für den Bau von leistbaren Wohnungen für 60.000 Menschen in den neuen Stadtentwicklungsgebieten“. Eine Änderung im UVP hätte jahrelange Verzögerungen zufolge, widersprach die Stadträtin dem Ökobüro.

Der Wiener FPÖ-Verkehrssprecher Toni Mahdalik fragte sich, wo die „Alternativen der NGOs“ seien. „Der S1-Lückenschluss zwischen Schwechat und Süssenbrunn und die Stadtstraße würden etwa die Ortskerne von Hirschstetten und Aspern um 6.000 bzw. 8.000 Autos pro Tag entlasten und Wien 75.000 Tonnen CO2 pro Tag ersparen“, so der FP-Politiker.

Kritik an Einschüchterungsversuchen

Zauner bekundete ihre Solidarität mit den Klimaaktivistinnen und -aktivisten im Camp gegen die Stadtstraße und kritisierte Klagsdrohungen der Stadt Wien scharf. Protest in dem Zusammenhang kam am Donnerstag auch von Scientists for Future in Österreich „gegen die Einschüchterungsversuche durch Jarolim Partner Rechtsanwälte GmbH im Auftrag der Stadt Wien“, hieß es in einer Aussendung. Schreiben im Auftrag der Stadt seien an strafunmündige Jugendliche und auch an Wissenschafterinnen und Wissenschafter gegangen, „die lediglich öffentlich wissenschaftliche Argumente gegen dieses Bauvorhaben vorgebracht haben“.

Die Scientists for Future: „Einschüchterungsversuche gegen Wissenschaftler:innen sind grundsätzlich und in aller Schärfe zurückzuweisen. Die Freiheit der Wissenschaft ist eine wesentliche Säule unserer Demokratie.“ Sie forderten, die Drohungen öffentlich zurückzuziehen. Solidarität kam auch von der Umweltorganisation Greenpeace, die erst am Mittwoch ausführlich die Klagsdrohungen der Stadt kritisiert hatte.

Sondersitzung im Landtag am Dienstag

Die Causa wird auch im Stadtparlament demnächst wieder behandelt: Am kommenden Dienstag findet eine Sondersitzung des Wiener Landtages statt – auf Verlangen der FPÖ. Die Freiheitlichen haben stets eine Realisierung des Projekts gefordert. Entsprechend lautet auch der von ihnen gewählte Titel: „Ob Stadtstraße Aspern oder Spange S1 Seestadt – genehmigte Projekte nach UVP-Gesetz sind umzusetzen!“

Die Grünen haben ebenfalls eine Sondersitzung verlangt, in diesem Fall eine des Gemeinderates. Diese wird erst Anfang kommenden Jahres stattfinden.