Der Wiener Bürgermeister Michael Ludwig (SPÖ) und Rechtsanwalt Johannes Zink am Freitag, 31. März 2023, anl. einer Sitzung der Untersuchungskommission zur Wien Energie im Wiener Rathaus.
APA/HELMUT FOHRINGER
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Politik

Wien Energie: Ludwig rechtfertigt Vorgehen

Der Wiener Bürgermeister Michael Ludwig (SPÖ) ist am Freitag als Zeuge in der gemeinderätlichen Untersuchungskommission zur Wien Energie vernommen worden. Er versicherte dabei, dass die Kreditvergaben „alternativlos“ gewesen seien.

Ludwig hatte im Sommer via Notkompetenz 1,4 Mrd. Euro für die Wien Energie bereitgestellt. Auch das sei alternativlos gewesen, beteuerte er. Das sei durch die Dringlichkeit geboten gewesen. Die U-Kommission beschäftigt sich seit Dezember mit den Vorfällen vom vergangenen Sommer.

„Hinweis“ am Rande einer Veranstaltung

Der Auftritt Ludwigs war mit Spannung erwartet worden. Entsprechend groß war auch das Medieninteresse. Nach einer ersten Bitte Ludwigs – der Stadtchef ersuchte darum, angesichts der Temperaturen im Raum sein Sakko ausziehen zu dürfen – versicherte der Bürgermeister, dass er „voll umfassend“ Auskunft erteilen wolle.

Der Wiener Bürgermeister Michael Ludwig (SPÖ) und Rechtsanwalt Johannes Zink am Freitag, 31. März 2023, anl. einer Sitzung der Untersuchungskommission zur Wien Energie im Wiener Rathaus.
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Ludwig zu Beginn der Befragung – er gab sich beim Eintreffen gut gelaunt und entspannt

Anschließend ging es zunächst um die Rolle, die er im Zusammenhang mit der Anteilsverwaltung der Stadtwerke spielt. Die Verwaltung der Beteiligungen obliege dem zuständigen Stadtrat Peter Hanke (SPÖ), erläuterte der prominente Zeuge. Er, Ludwig, äußere auch keine Personalwünsche im Zusammenhang mit der Besetzung von Aufsichtsräten.

Über die angespannte Situation an den Energiemärkten nach dem Angriff Russlands auf die Ukraine sei er durch Medienberichte informiert gewesen. Konkretere Gespräche über mögliche Liquiditätsprobleme bei der Wien Energie habe er dann am 8. und am 12. Juli mit Magistratsdirektor Dietmar Griebler bzw. mit Stadtrat Hanke geführt. Die Unterredung mit Griebler habe am Rande einer Veranstaltung stattgefunden. Es habe sich um einen „allgemeinen Hinweis“ gehandelt.

„Sehr geringer Zeitverlust in meinem Büro“

Hanke habe dann schon erläutert, dass die Möglichkeit bestünde, dass die Pipeline „Nord Stream 1“ kein Gas mehr liefere, berichtete der Bürgermeister. Über die Höhe einer etwaigen Unterstützung oder deren Dringlichkeit sei aber noch nicht gesprochen worden. Das kam wenig später: Am 15. Juli wurde Ludwig ersucht, das betreffende Geschäftsstück über den Rahmenkredit zu unterzeichnen. Dabei sei seine persönliche Anwesenheit im Büro nötig gewesen, schilderte der Bürgermeister die Situation. Es sei ihm an jenem Tag dargelegt worden, dass extreme Preisentwicklungen zu befürchten waren.

„Es war somit geboten, per Notkompetenz eine Entscheidung über die Kreditgewährung in der kürzestmöglichen Zeit herbeizuführen“, beteuerte der Stadtchef. Auch die Einberufung einer außerordentlichen Sitzung des Stadtsenats habe man nicht abwarten können, sagte Ludwig. Konkret informiert über das Geschäftsstück wurde der Bürgermeister von seinem Präsidialchef. „Ich habe ihn gefragt, ob die Plausibilität gegeben ist und der Ablauf ordnungsgemäß erfolgt ist.“ Nachdem das bejaht wurde, habe er den Akt gelesen – und unterzeichnet.

„Es hat einen sehr geringen Zeitverlust in meinem Büro gegeben“, hielt Ludwig fest. Das Geschäftsstück sei innerhalb einer halben Stunde besprochen und auf den Weg gebracht worden. Der Akt wurde laut Ludwig zuvor von fünf Stellen geprüft, nämlich den zuständigen Magistratsabteilungen für Finanzwesen sowie Rechnungs- und Abgabewesen und der Geschäftsgruppe Finanzen, der Magistratsdirektion und dem Magistratsdirektor. Dass ursprünglich ein deutlich höherer Betrag zur Diskussion gestanden sei, zeige, wie gründlich die einzelnen Abteilungen die Angelegenheit geprüft hätten, sagte Ludwig.

Der Wiener Bürgermeister Michael Ludwig (SPÖ) und Rechtsanwalt Johannes Zink am Freitag, 31. März 2023, anl. einer Sitzung der Untersuchungskommission zur Wien Energie im Wiener Rathaus.
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Reges Medieninteresse vor der Befragung Ludwigs

„Gibt nicht viele Dinge, die mich überraschen können“

„Für mich war alles umfassend, transparent und schlüssig dargestellt“, sagte Ludwig. Auch die 700 Mio. Euro – also die Höhe der ersten Tranche – waren laut dem Zeugen aus dem Geschäftsstück ersichtlich. Es sei wichtig gewesen, eine sichere Energieversorgung zu gewährleisten, betonte der Bürgermeister. Auf nationaler Ebene, so beklagte er, gebe es immer noch keinen Schutzschirm. Dabei hätten andere Länder wie Deutschland mit 100 Mrd. Euro, die Schweiz mit zehn Mrd. Franken und skandinavische Länder bereits seit Monaten nationale Schutzschirme eingerichtet.

Ob er überrascht gewesen sei, als man ihm den Akt vorgelegt habe, wollte der Vorsitzende der Kommission, Martin Pühringer, wissen. Der Bürgermeister versicherte: „Nachdem ich so lange politisch tätig bin, gibts nicht viele Dinge, die mich überraschen können.“ Ludwig hat laut eigenen Angaben unmittelbar nach der Unterzeichnung auch den Koalitionspartner, also Vizebürgermeister Christoph Wiederkehr (NEOS), informiert.

Ludwig bejahte Strategiewechsel der Wien Energie

Nach den Turbulenzen auf den Energiemärkten am „Black Friday“, dem 26. August, kam es am darauffolgenden Montag zum zweiten Notkompetenzakt mit einer weiteren Tranche von 700 Mio. Euro. Zwar sei er informiert gewesen, dass es tags zuvor eine Sitzung mit Mitgliedern der Bundesregierung gegeben habe. Allerdings sei er überrascht gewesen, dass am nächsten Tag der Finanzbedarf der Wien Energie das Thema gewesen sei, so Ludwig.

Wien Energie: Ludwig rechtfertigt Vorgehen

Der Wiener Bürgermeister Michael Ludwig (SPÖ) ist am Freitag als Zeuge in der gemeinderätlichen Untersuchungskommission zur Wien Energie vernommen worden. Er versicherte dabei, dass die Kreditvergaben „alternativlos“ gewesen seien.

Die Frage nach einem Strategiewechsel der Wien Energie bejahte Ludwig: Allerdings sei das nicht auf den Liquiditätsbedarf, sondern auf den Krieg in der Ukraine sowie auf den Umstieg auf saubere Energie zurückzuführen.

Der Bürgermeister nahm auch zu jenen Anträgen Stellung, in denen es um die Herausgabe von Details zur Handykommunikation geht. Solche Daten würden von den Mobilfunkbetreibern nur drei Monate gespeichert, gab Ludwig zu bedenken. Der den Untersuchungsgegenstand betreffende Zeitraum wäre damit nicht mehr abgedeckt. Es habe zudem keine Sitzungen und Termine zu dem Thema gegeben, begründete Ludwig, warum er keine Notwendigkeit sehe, Kalendereinträge vorzulegen.

ÖVP: Aussagen „völlig lebensfremd“

In der Causa Wien Energie sei jedenfalls „ein Schaden entstanden“, so der Parteivorsitzende der Wiener Grünen, Peter Kraus. Der grüne Klubobmann David Ellensohn meinte zu Ludwigs Verantwortung, dass er nur allgemeine Hinweise erhalten hätte: „Aber das machen eh die Leute von der Wien Energie, darum kümmere ich mich nicht. Aber wenn das Problem nicht groß genug ist, worum kümmert sich dann ein Bürgermeister in dieser Stadt?“

Für die Wiener ÖVP war nach der Befragung klar, dass Ludwig „die Unwahrheit gesagt hat“. Denn dass es im Gespräch mit Stadtrat Hanke am 12. Juli 2022 nicht um konkrete Summen ging, sei als völlig unglaubwürdig zu betrachten. Auch der Verweis des Bürgermeisters, dass der stete Informationsaustausch mit Stadtrat Hanke sich lediglich auf allgemeiner Basis bewegt habe, sei „völlig lebensfremd“, sagte ÖVP-Wien-Klubobmann Markus Wölbitsch.

Politologe Filzmaier zu Kreditvergaben

Politikwissenschaftler Peter Filzmaier mit einer Analyse zur Untersuchungskommission zur Wien Energie.

FPÖ kündigte Anzeige bei FMA an

Der Wiener FPÖ-Chef Dominik Nepp wiederum ortete, dass der Liquiditätsbedarf der Wien Energie bereits zu Jahresbeginn 2022 „dramatisch hoch“ gewesen sei. Wegen des kürzlich beschlossenen städtischen Schutzschirms für die Wien Energie kündigte die Wiener FPÖ zudem eine Anzeige bei der Finanzmarktaufsicht (FMA) an – mehr dazu in Wien Energie: FPÖ erstattet Anzeige bei FMA. Der Wiener FPÖ-Fraktionschef in der U-Kommission, Maximilian Kraus, ortete nach der Befragung „erstaunliche Erinnerungslücken des Bürgermeisters“. Für Krauss stehe außer Frage, dass Ludwig „grob fahrlässig und letztlich unrechtens gehandelt hat“.

Die Grünen staunten am Nachmittag darüber, dass Ludwig in wichtigen Punkten keine Ahnung gehabt habe. Er habe etwa nicht gewusst, ob die Wien Energie 700 Mio. oder zwei Mrd. Euro brauche, hieß es in einer Mitteilung. Der Bürgermeister habe nach dem Motto „Mein Name ist Hase, ich weiß von nichts“ agiert, befand Klubchef David Ellensohn. Ludwig habe die Arbeit offenbar lieber anderen überlassen.

Ludwig selbst betonte nach der Befragung bei einem kurzen Medientermin, dass er wieder so vorgehen würde wie im vergangenen Sommer. „Ich stehe dazu, ich halte es auch heute für einen richtigen Schritt.“ Anders gestalten würde er allerdings die Kommunikation mit der Bundesregierung. Auf diese habe man zu wenig Druck in Sachen nationalen Schutzschirm ausgeübt, befand er.

Wichtigste Fragen für SPÖ schon beantwortet

Die SPÖ kontert, für die Opposition sei es vielleicht „ein Highlight“, dass der Bürgermeister in die Untersuchungskommission komme. Die wichtigsten Fragen seien aber schon vom zuständigen Finanzstadtrat Hanke beantwortet worden, so Thomas Reindl, der Fraktionsvorsitzende der SPÖ in der Untersuchungskommission.

Reindl verteidigte erneut das Vorgehen von Ludwig und dessen Ziehung der Notkompetenz. „Einmal mehr wurde in der Darstellung deutlich, dass sowohl der Ukraine-Krieg als auch vor allem der fehlende bundesweite Schutzschirm die Lage für die Versorgungssicherheit beeinflusst haben. Der dringende Handlungsbedarf war im Sinne der Verantwortung für die Wienerinnen und Wiener alternativlos.“

Bisher wurden in der Untersuchungskommission zehn Zeuginnen und Zeugen sowie drei Auskunftspersonen befragt. Insgesamt sind noch 30 weitere Befragungen geplant – unter anderem sollen Wien-Energie-Aufsichtsräte und die frühere Finanzstadträtin Renate Brauner in die Untersuchungskommission kommen.