Peter Hacker
APA/Hans Punz
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Gesundheit

Hacker sieht Ärztemangel „erst am Beginn“

Gesundheitsstadtrat Peter Hacker (SPÖ) warnt vor einer weiteren Verschlechterung des Gesundheitssystems. „Wir sind erst am Beginn eines wahren Ärztemangels.“

Das werde von den „entscheidenden Playern“ aber noch immer nicht wahrgenommen, kritisierte er im Interview mit dem „Standard“ (Freitag-Ausgabe) vor allem die Bundesregierung. Hacker fordert, dass die Ausbildungsplätze an den Medizinuniversitäten fast verdoppelt werden. Wer im Herbst mit dem Medizinstudium beginnen will, muss am Freitag zum Aufnahmetest. In Wien gibt es 760 Studienplätze.

Pläne, Privatunis zu unterstützen

„In zehn Jahren werden wir einen Ärztemangel haben, da wird rückblickend der heutige Pflegemangel wie ein kleines Lercherl im Vergleich dazu ausschauen“, beschrieb Hacker die Situation drastisch. „Uns werden österreichweit 7.000 Ärzte bis 2035 fehlen.“

In Wien werde überlegt, Privatunis zu unterstützen, um die Zahl von Medizinstudierenden zu erhöhen. Zum Streit mit dem Bund über die Gesundheitsreform meinte der SPÖ-Stadtrat, dass man im Moment „ehrlich gesagt nur papierlt“ werde. „Wir brauchen politische Weichenstellungen.“

Problem im niedergelassenen Bereich

Es gebe derzeit Probleme in der Anästhesie, der Chirurgie, der Notfallmedizin, der Kinderpsychiatrie, teilweise in der Radiologie. „In der Anästhesie in Favoriten haben wir die Möglichkeit geschaffen, dass wir zusätzlich externe Anästhesisten beschäftigen können. Derzeit wird das aber nicht gebraucht.“

Das Problem liegt laut Hacker aber im niedergelassen Bereich, wo es einen „Rückgang an Ärzten quer durch alle Fächer“ gebe. „Deshalb kommen mehr Personen ins Spital, und diesen Druck spüren unsere Mitarbeiter.“

Gesundheitsökonom widerspricht

Gesundheitsökonom Ernest Pichlbauer widersprach Hacker: „Dafür gibt es viel zu wenige Patienten mittlerweile. Wir bilden einfach viel zu viel schon aus.“ Der Stadtrat wünsche sich mehr Plätze, weil das gut klinge, sagte Pichlbauer: „Und dann gehe ich davon aus, dass er sich erhofft, dass es durch die mehr Studienplätze zu günstigeren Arbeitsplätzen kommt, vor allem Studenten, die ihr klinisch-praktisches Jahr in den Krankenhäusern machen müssen, die kosten ja praktisch nichts und können gut eingesetzt werden.“

Gesundheitsminister Johannes Rauch (Grüne) reagierte Freitagnachmittag auf Twitter: „Mehr Medizin-Studienplätze zu schaffen oder die Zahl ausländischer Studierender einzuschränken, würde nicht viel bringen. Eine Berufspflicht für Medizin-Studierende wird uns ebenfalls nicht weiterhelfen. Mit Zwang gewinnt man keine motivierten Mitarbeiterinnen“

„Österreich bei Absolventen im Spitzenfeld“

Die Rektoren sind ebenfalls gegen mehr Medizinstudienplätze. Es brauche attraktivere Kassenstellen, damit Ärzte sie annehmen. Einen österreichweiten Ärztemangel sieht man an der Wiener Universiät nicht. Viel eher sei es ein regionales und zum Teil auch nationales Verteilungsproblem, der in den letzten Jahren neu ausgebildeten Ärzte und Ärztinnen. Problemfelder seien unter anderem die schlechte Bezahlung, die „Migration in die lukrative und nur teilweise versorgungsrelevante Privatmedizin“ und der internationale Wettbewerb um Jungmediziner und -Medizinerinnen.

Auch der Forderung nach mehr Studienplätzen könne man nichts abgewinnen. Österreich liege mit der Zahl der Absolventen und Absolventinnen im internationalen Spitzenfeld und bilde in Bezug auf die Einwohnerzahl wesentlich mehr Menschen aus als vergleichbare Länder. Bis 2028 erfolge ohnehin ein schrittweiser Ausbau auf 2.000 Studienplätze österreichweit. Diese Zahl sei noch möglich, ohne das darunter die Qualitätsstandards leiden müssten.

Kucher: Stipendien oder Bonussysteme

Auch die Bundes-SPÖ forderte am Freitag die Verdoppelung der Medizinstudienplätze. Um dem Mangel an Kassenärzten und -Ärztinnen entgegenzuwirken, schlägt die SPÖ vor, jene über Stipendien oder Bonussysteme zu bevorzugen, die sich bereit erklären, dem öffentlichen Gesundheitssystem eine gewisse Zeit lang zur Verfügung zu stehen.

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Teilnehmer vor Beginn des Medizin Aufnahmetests in der Messe Wien
APA/Robert Jaeger
Teilnehmer vor Beginn des Medizin Aufnahmetests in der Messe Wien
APA/Robert Jaeger
Teilnehmer vor Beginn des Medizin Aufnahmetests in der Messe Wien
APA/Robert Jaeger
Teilnehmer vor Beginn des Medizin Aufnahmetests in der Messe Wien
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„An immer mehr Ecken und Enden kracht es. Ärzte und Ärztinnen fehlen, Wartezeiten werden immer länger – außer man zahlt privat. Dabei zeigt sich Jahr für Jahr: Es gibt genug junge Menschen, deren Traum es wäre, Leben zu retten. Wir sollten ihnen die Chance, ihren Traum zu erfüllen, auch geben“, betonte Klubobmann Philip Kucher.

Die Vorsitzende der ÖH an der MedUni Carolin Vollbrecht sieht den Vorschlag, innerhalb „kürzester Zeit“ die Studienplätze zu verdoppeln, hingegen kritisch, da darunter die Qualitätsstandards leiden würden.

ÖH will „mehr Studienplätze“

„Mehr Studienplätze“ lautet auch die jährliche Forderung der Österreichischen HochschülerInnenschaft (ÖH). Das strenge Aufnahmeverfahren führe bei vielen Bewerbern und Bewerberinnen zu großer psychischer Belastung und verstärktem Konkurrenzdenken untereinander. Außerdem würden die derzeit verfügbaren Studienplätze nicht ausreichen, um den „chronischen ÄrztInnenmangel“ auszugleichen, kritisierte das ÖH-Vorsitzteam in einer Aussendung.

Ein weiteres Problem sei, dass das Aufnahmeverfahren oft mit teuren Vorbereitungskursen einhergehe. „Diese Art der sozialen Selektion führt dazu, dass Bildung gerade im medizinischen Bereich noch immer stark vererbt wird“, kritisierte Nina Mathies (VSSTÖ) vom Vorsitzteam.