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Gesundheit

Aufregung um 55-Stunden-Woche in Spitälern

Für Aufregung sorgt derzeit eine Betriebsvereinbarung im Wiener Gesundheitsverbund. Sie besagt, dass die Ärztinnen und Ärzten in den Bereichen Anästhesie und Intensivmedizin im Schnitt 55 Wochenstunden arbeiten dürfen. Bei der Wiener Ärztekammer stößt das auf Kritik.

Die Betriebsvereinbarung zwischen dem Wiener Gesundheitsverbund und der Personalvertretung ermöglicht es, die Arbeitszeit auf freiwilliger Basis von 48 auf 55 Stunden anzuheben. Vor einigen Wochen hatte Gesundheitsstadtrat Peter Hacker (SPÖ) gegenüber dem „Kurier“ noch betont, dass für ihn weder eine Verkürzung noch eine Verlängerung der Arbeitszeit infrage komme.

Entsprechend irritiert zeigt man sich nun in der Wiener Ärztekammer über die still und heimlich ausgehandelte Vereinbarung. „Normalerweise ist das ein Verhandlungsprozess, wo als Entgegenkommen für den Dienstgeber die maximale Wochenarbeitszeit erhöht wird, aber es natürlich im Gegenzug auch Benefits für die Dienstnehmer gibt“, schilderte Stefan Ferenci, Kurienchef der Spitalsärztinnen und -ärzte, im Interview mit Ö1.

Nur Abgeltung der Überstunden

Doch außer der Abgeltung der Überstunden seien in der Vereinbarung keine weiteren Benefits für die Ärzte und Ärztinnen vorgesehen, sagte Ferenci. Er verwies auf das AKH Wien, wo die Personalvertretung 2016 für eine ähnliche Betriebsvereinbarung 30 Prozent mehr Gehalt ausgehandelt hatte.

Für Ferenci ist die Vereinbarung eine Reaktion auf den anhaltenden Personalmangel in der Anästhesie, vor allem im Spital Favoriten. „Solche Notmaßnahmen kann man ja machen. Es ist nur überraschend, dass das sehr einseitig ist.“ Man frage sich, wen Personalvertretung und Gewerkschaft vertreten, ob Dienstgeber oder Dienstnehmer, so der Kurienchef.

Gesundheitsverbund weist Kritik zurück

Außerdem äußerte Ferenci die Sorge, „dass indirekt auf die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter Druck ausgeübt wird, damit sie den bereits geplanten Sommerurlaub konsumieren können.“ Bei nicht ausreichend Personal habe der Dienstgeber das Recht, den Sommerurlaub zu stornieren.

Von der Personalvertretung, die die Vereinbarung mit dem Wiener Gesundheitsverbund unterzeichnete, war am Dienstag für Ö1 niemand zu erreichen. Beim Wiener Gesundheitsverbund wies man die Kritik der Ärztekammer zurück. „Wenn das jemand nicht möchte, gibt es überhaupt keinen Druck, und dann wird das einfach nicht gemacht. Das steht außer Frage für uns“, erklärte Sprecherin Nina Brenner-Küng.

Vereinbarungen auch in anderen Bundesländern

In anderen Bundesländern gibt es für Spitalsärztinnen und -ärzte schon länger die Möglichkeit, die Arbeitszeit mit Betriebsvereinbarungen auf 55 Stunden zu erhöhen. Aus Sicht des Präsidenten der steirischen Ärztekammer, Michael Sacherer, brachte das bisher keine Probleme.

Stefan Kastner, Präsident der Tiroler Ärztekammer, verzeichnete hingegen einzelne Beschwerden vor allem in kleineren Spitälern mit engerer Personalausstattung. Hier würde besonders auf junge Kolleginnen und Kollegen doch zumindest sanfter Druck ausgeübt, die Arbeitszeit zu verlängern, um den Dienstbetrieb aufrechtzuerhalten, so Kastner.