Umstrittene Grundstücksdeals von mehreren SPÖ-Politikern in Breintenlee. Im Bild: Kleingartensiedlung Sport- und Erholungszentrum Breitenlee (KGV Breitenlee)
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Kleingartendeal: Anzeige bei WKStA

Nach der Kritik an SPÖ-Bezirksvorsteher Ernst Nevrivy wegen eines profitablen Kleingartenkaufs zeigt sich nun, dass sich vor Nevrivy auch andere Wiener SPÖ-Politikerinnen in den Kleingarten eingekauft und von der Umwidmung profitiert haben. Jetzt gibt es auch eine Anzeige.

Die Wirtschafts- und Korruptionsstaatsanwaltschaft (WKStA) bestätigte gegenüber dem ORF, dass in der Sache eine Anzeige vorliegt. Gegen wen sie sich richtet, wollte ein Behördensprecher momentan nicht sagen. Jetzt würden einmal die Zuständigkeit und der Anfangsverdacht geprüft. Damit steht derzeit jedenfalls noch nicht fest, ob es überhaupt zu einem Ermittlungsverfahren kommt.

Nevrivy: „Zu keinem Zeitpunkt Einfluss genommen“

Nevrivy wies am Freitag die Vorwürfe zurück. Die Pläne, dass dort umgewidmet werden soll, waren seit 2006 bekannt, versicherte er im Gespräch mit der APA. „Ich habe zu keinem Zeitpunkt Einfluss genommen“, so Nevrivy wörtlich. Er sei sich allerdings bewusst, dass die Optik „nicht optimal“ sei. „Es ist bedauerlich, welches Bild von mir gezeichnet wird.“

Kleingartendeal: Anzeige bei WKStA

Nach der Kritik an SPÖ-Bezirksvorsteher Ernst Nevrivy wegen eines profitablen Kleingartenkaufs zeigt sich nun, dass sich vor Nevrivy auch andere Wiener SPÖ-Politikerinnen in den Kleingarten eingekauft und von der Umwidmung profitiert haben. Jetzt gibt es auch eine Anzeige.

Er habe vor, das Grundstück weiter zu nutzen, sagte Nevrivy – der nicht an einen Rücktritt denkt und sein Amt auch nicht ruhend stellen will, wie er der APA sagte. Am Mittwoch sprach er vor den Donaustädter Bezirksrätinnen und -räten, denen er beim Beschluss der Umwidmung der Kleingartenanlage im Bezirk verheimlicht hatte, dass er davon persönlich profitieren wird.

Hacker: „Bild nicht sehr fein ist“

Anstatt Einsicht zu zeigen, attackierte der Bezirksvorsteher die Grünen. „Es ist schon eine Hetzjagd, die gewaltig ist, von einigen grünen Politikerinnen und Politikern und von einigen grünen Freunden, was sich da abspielt“, sagte der Donaustädter Bezirksvorsteher.

Die Grünen seien in der Stadtregierung zehn Jahre für Widmungen zuständig gewesen, betont Nevrivy jetzt immer wieder – was das mit dem Vorwurf gegen ihn zu tun hat, ist unklar. Dieser lautet, dass er sein Insiderwissen zum persönlichen Vorteil genutzt habe. Kritik aus der SPÖ kam am Freitag von Gesundheitsstadtrat Peter Hacker: „Ich weiß faktisch nichts darüber, aber das Bild ist nicht sehr fein, brauchen wir gar nicht darüber diskutieren“, so Hacker gegenüber ORF Wien.

Auch drei Genossinnen profitierten

Grund für die Wertsteigerung des Grundstücks ist laut der Onlinezeitung Wiener Zeitung eine Umwidmung der Kleingartensiedlung Sport- und Erholungszentrum Breitenlee (KGV Breitenlee), die der Wiener Gemeinderat am 25. November 2021 beschloss. Dadurch wurden aus den Kleingärten vollwertige Baugründe. Laut dem Kaufvertrag zahlte Nevrivy 161.700 Euro. Heute soll es mindestens das Doppelte wert sein.

Einen Vorteil durch die Umwidmung hatten auch drei Parteigenossinnen Nevrivys, wie eine gemeinsame Recherche des Ö1-Morgenjournals und der Wiener Zeitung ergab. Alle drei hatten 2016 einen Kleingarten gekauft, zum damals noch günstigen Quadratmeterpreis von 380 Euro. Sie waren zuvor keine Pächterinnen, in ihren Kaufverträgen ist vom „möglichen, aber noch nicht eingeleiteten Umwidmungsverfahren“ die Rede.

Verbindungsfrau zum Magistrat

Eine von ihnen ist Julia Lessacher, heute stellvertretende Bezirksvorsteherin in Wien-Mariahilf – über sie sagte der Obmann des Kleingartenvereins 2018 laut Protokoll: „Durch die Mithilfe unserer neuen Eigentümerin Frau Julia Lessacher hat ein Treffen mit dem Bezirksvorsteher Herrn Ernst Nevrivy in unserer Anlage stattgefunden.“

Hauptthema damals schon: die Umwidmung der Parzellen zu Baugrund. Lessacher fungierte in der Folge als Verbindung zum Magistrat, der Vereinsobmann sagte laut einem Protokoll von 2020, er habe die Verhandlungen bei der MA 21 und MA 37 immer gemeinsam mit ihr geführt. Lessacher sagte auf Anfrage zu ihrer Rolle, sie habe dem Vereinsobmann „für den Laien schwer verständliche Mitteilungen der Magistratsdienststellen erläutert und ihm mit Formulierungen geholfen“.

Verkauf – mit Umwidmungsgewinn

Lessacher wird im Vereinsprotokoll als Aufsichtsrat geführt, mittlerweile ist sie Obmann-Stellvertreterin. Verkaufen und ihren Umwidmungsgewinn realisieren wolle sie nicht. Das sagte auch ihre Parteifreundin Astrid Rompolt, die als SPÖ-Gemeinderätin bei der Sitzung anwesend war, als im November 2021 grünes Licht für die Umwidmung auch ihres Kleingartens gegeben wurde.

Abgestimmt wurde nicht, weil im zuständigen Ausschuss Einstimmigkeit herrschte. Rompolt sagte diesbezüglich: „Da im Vorfeld der Sitzung klar war, dass es keine separate Abstimmung geben würde, weil alle Parteien dafür waren, war eine Offenlegung auch nicht nötig.“

Die Dritte im Bunde ist SPÖ-Nationalratsabgeordnete Petra Bayr, sie kaufte gleich zwei Grundstücke: 2016 eine Parzelle um 140.000 Euro und später eine zweite direkt am Wasser um 310.000 Euro, aber auch noch vor der Umwidmung. Bayr sagte, das günstiger erworbene erste Grundstück werde sie jetzt verkaufen – wohl mit einem satten Umwidmungsgewinn.

NEOS zeigt sich „stark irritiert“

„Stark irritiert“ über die Causa zeigte man sich am Freitag beim Koalitionspartner NEOS. Klubobfrau Bettina Emmerling betonte, die Grundstückskäufe wirkten „problematisch“, Politiker müssten sowohl beruflich als auch privat besonders hohe ethische Kriterien bei ihren eigenen Handlungen anlegen.

„Jetzt gilt es, alle Vorgänge lückenlos auf den Tisch zu legen und aufzuklären, ob Verfehlungen oder gar strafrechtliche Handlungen vorliegen. In dem Fall haben die Beteiligten selbstverständlich Konsequenzen zu ziehen.“ Außerdem müsse sichergestellt sein, dass für die Zukunft etwaige Lücken geschlossen würden.

Kritik von FPÖ, ÖVP und Grünen

Für FPÖ-Klubobmann Maximilian Krauss sind die betreffenden Mandatare schon jetzt rücktrittsreif. „Die SPÖ widmet Grundstücke, damit Parteigenossen reich werden. Das ist ein Bilderbuchskandal, der nicht ohne Folgen bleiben darf.“ Die betreffenden Grundstückskäufe müssten rückabgewickelt werden, so Krauss per Aussendung. Außerdem forderte er Aufklärung darüber, was Bürgermeister Michael Ludwig (SPÖ) über die Umwidmungen gewusst habe.

„Ein weiterer gewaltiger Skandal im Dunstkreis der Wiener SPÖ steht im Raum“, befand Markus Wölbitsch, Klubobmann der Wiener ÖVP. Er kündigte „als ersten Schritt für eine umfassende Aufklärung“ eine entsprechende schriftliche Anfrage im Wiener Gemeinderat an. Grünen-Gemeinderätin Heidi Sequenz zeigte sich empört darüber, dass Wiener SPÖ-Mandatarinnen trotz „kilometerlanger“ Wartelisten für Kleingärten nicht nur zum Zug kämen, sondern auch noch „fette Profite“ machten. Es brauche nun volle Aufklärung. Olga Voglauer, Grünen-Generalsekretärin im Bund, forderte die betroffenen SPÖ-Politikerinnen auf, ihre Funktionen bis zur Klärung der Vorwürfe ruhend zu stellen.