245 Hochrisikofälle identifizierten die Spezialistinnen und Spezialisten des Opferschutzzentrums in Wien seit Oktober. Wann ein Fall als Hochrisiko gilt, schildert die Leiterin des Zentrums Nina Lepuschitz im „Wien heute“-Interview. „Wenn jemand in der Vergangenheit gewalttätig gegenüber seiner Frau wurde, wäre das ein Hochrisikofaktor. Das Gleiche gilt für generelle Gewalttätigkeit in der Vergangenheit“, so Lepuschitz. Weitere Faktoren seien etwa Substanzmissbrauch, psychiatrische Erkrankungen oder Arbeitslosigkeit.
Diese Schnelleinschätzung passiert vor Ort, dauert etwa eine Stunde und geht anhand von Risikolisten. „Und im Opferschutzzentrum machen wir dann eine tiefer gehende Risikoanalyse mit den dynamischen Faktoren, wo man dann wirklich versucht, dahinter zu sehen: Was ist wirklich passiert? Wie hat sich das ereignet? Hat es da eine gewisse Gewaltdynamik gegeben?“, so die Psychologin. Für diese Analyse brauche es einen halben Tag bis Tag – oftmals werden dafür auch Gespräche mit Opfern und Gefährdern geführt.
Betreuung nach Ende des Betretungsverbots
Läuft ein Betretungsverbot aus, werden Opfer – meist Frauen – weiterbetreut und nach Lösungen gesucht. „Man kann als Polizei nicht vorschreiben, dass jemand sich trennen muss oder scheiden lassen muss. Deswegen versuchen wir eher zu schauen, wie kann man beide unterstützen, dass diese Gewaltspirale durchbrochen wird“, so Lepuschitz. Dazu zählt etwa eine Therapie bei Substanzmissbrauch – denn in rund der Hälfte aller Hochrisikofälle ist Alkohol- oder Substanzmissbrauch ein Thema.
Interview: Nina Lepuschitz, Leiterin Opferschutzzentrum zu Gewalt an Frauen
Nina Lepuschitz, Leiterin Opferschutzzentrum zu Gewalt an Frauen
Ist die Frau bereit, sich zu trennen, wird auch auf die Sicherheit der Wohnung geachtet – etwa auf vorhandene Sicherheitstüren, ob die Wohnung im Erdgeschoß liegt oder über Fenster leicht erreichbar ist. „Es gilt: Wie kann man das Opfer generell besser schützen“, so die Leiterin des Zentrums. Der Fokus liegt aber auch auf langfristiger Begleitung: „Das heißt, wir rufen alle paar Wochen auch noch einmal an und fragen: Wie geht es Ihnen? Hat sich was an Situation geändert?“
Probebetrieb bis Ende März
Das Opferschutzzentrum der Polizei läuft aktuell noch bis Ende März im Probebetrieb. Partner sind das Gewaltschutzzentrum Wien und der Verein Neustart, die im engen Kontakt mit Opfern und Tätern stehen. Alle Beteiligten wünschen sich die Implementierung als Dauereinrichtung. „Wir hoffen alle, dass das umgesetzt wird“, so Lepuschitz.