Akademie der Wissenschaften Außenansicht
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Politik

Edtstadler mit Kunstblut attackiert

Vor der Akademie der Wissenschaften (ÖAW) ist es in der Früh zu einer Kunstblutattacke auf Verfassungsministerin Karoline Edtstadler (ÖVP) gekommen. In der ÖAW findet heute und morgen eine internationale Konferenz gegen Antisemitismus statt.

Zum bereits dritten Mal findet auf Initiative von Edtstadler die hochkarätig besetzte und jährlich stattfindende European Conference on Antisemitism in Wien statt. Beim Eintreffen von Edtstadler und dem Präsidenten der Israelitischen Kultusgemeinde (IKG), Oskar Deutsch, schüttete ein Mann mehrere Liter Kunstblut in Richtung der Teilnehmerinnen und Teilnehmer beim Eingang zur Veranstaltung.

Kunstblut auf der Straße, Polizisten
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Die Polizei schritt gegen die Farbattacke ein

Aktivist sieht „Protest gegen Völkermord“

Bei dem Aktivisten handelte es sich um ein ehemaliges Mitglied der Protestbewegung „Letzte Generation“. Der Protest richtete sich gegen die „Normalisierung eines Völkermordes“ und für einen „Waffenstillstand“ im Gazastreifen, sagte der Aktivist David Sonnenbaum der APA. „Hier geht es nicht um Antisemitismus. Hier geht es darum, jede Kritik am Vorgehen des Staates Israel zu unterdrücken“, so Sonnenbaum, der selbst Mitglied der jüdischen Gemeinschaft in Österreich ist.

Der Angriff sei eine Grenzüberschreitung, schrieb Bundeskanzler Karl Nehammer (ÖVP) auf dem Kurznachrichtendienst X (Twitter). Und weiter: „Extremismus und Antisemitismus sind Gift für unsere Gesellschaft! Wir werden diese Formen von Extremismus weiterhin mit allen rechtsstaatlichen Mitteln bekämpfen!“ Auch Nationalratspräsident Wolfgang Sobotka (ÖVP) verurteilte die Farbattacke auf das Schärfste.

„Gezielte Attacke“

Das Büro Edtstadler sprach von einer gezielten Attacke. Eine Sprecherin der Ministerin teilte mit, dass der Mann versucht habe, gezielt Edtstadler und Deutsch zu attackieren. „Das konnte nur aufgrund des schnellen Eingreifens von Mitarbeitern bzw. der Polizei verhindert werden.“

Sie zeigte sich darüber entsetzt, dass „gerade auf einer Veranstaltung, die die bessere Vernetzung gegen Antisemitismus in den Fokus rückt, solche Aktionen stattfinden“. Derartiges werde man nicht akzeptieren. „Letzte Woche beschmierte jüdische Geschäfte, heute Angriffe auf Teilnehmende einer Antisemitismuskonferenz – der Judenhass in Österreich zeigt seine hässliche Fratze am helllichten Tag“, hieß es.

Kunstblutattacke auf Ministerin Edtstadler

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Die Konferenz behandelte nicht den Nahost-Konflikt, sondern die internationale Vernetzung gegen Antisemitismus, reagierte Edtstadlers Sprecherin auf die Rechtfertigung des Kunstblutanschlags. Es sei überhaupt nicht der Ort gewesen, um gegen die Lage in Nahost zu protestieren. „Die Attacke ist daher klar als antisemitisch einzuordnen.“

Vorfälle häufen sich

Die Zahl antisemitischer Vorfälle steigt nicht nur in Wien. Vor diesem Hintergrund begann in der Akademie der Wissenschaften die internationale Konferenz gegen Antisemitismus. Der Angriff der Hamas auf Israel im Oktober markierte einen Wendepunkt. Laut Israelitischer Kultusgemeinde verfünffachte sich allein zwischen Oktober und Jahresende die gemeldete Zahl antisemitischer Vorfälle in Österreich. Die Dunkelziffer ist weit höher.

Zu spüren und zu sehen ist das auch in Wien, wo zuletzt in der Leopoldstadt antisemitische Parolen wie „Death to Zionism“ und „Victory to Palestine“ auf Hauswände geschmiert worden waren. Als Reaktion übermalten am Montag Nationalratspräsident Sobotka und der IKG-Präsident Deutsch im Beisein des israelischen Botschafters David Roet die Slogans auf der Fassade des Geschäftes wieder.

Besorgt zeigt man sich zudem wegen umstrittener Einladungen bei den bevorstehenden Wiener Festwochen. Da befürchtet die Kultusgemeinde durch die virtuelle Einladung der Israel-Kritiker Annie Ernaux und Yanis Varoufakis weitere Feindseligkeit gegen Juden in Österreich.

„Barometer für Situation in der ganzen Gesellschaft“

Die diesjährige Antisemitismuskonferenz stand im Zeichen von einem Anstieg antisemitischer Vorfälle in Österreich und Europa. Wie Edtstadler später in einer Rede ausführte, habe die Anzahl antisemitischer Vorfälle in Österreich 2023 um 60 Prozent zugenommen. In mehreren EU-Mitgliedsländern habe sie sich sogar vervierfacht.

„Die Anzahl von antisemitischen Vorfällen ist ein Barometer für die Situation in der ganzen Gesellschaft“, sagte Edtstadler. Es sei die Aufgabe Österreichs, Jüdinnen und Juden zu schützen. „Attacken auf Juden sind Attacken auf unsere Gesellschaft“, sagte die Europa- und Verfassungsministerin.

Faßmann: Lage an Hochschulen „derzeit noch entspannt“

Auf Pro-Palästina-Protesten skandierte Parolen wie „From the river to the sea, Palestine will be free“ seien keine legitime Kritik an Israel, sondern ein „Aufruf zum Genozid“, sagte der israelische Präsident Jizchak Herzog, der per Videobotschaft aus Israel zugeschaltet war. Herzog sah keinen Unterschied zwischen „Antisemitismus und Antizionismus“ und sprach diesbezüglich von der „ältesten Krankheit der Menschheitsgeschichte“. Ein großes Lob sprach das Staatsoberhaupt Israels Bundespräsidenten Alexander Van der Bellen und der österreichischen Bundesregierung für ihren Kampf gegen Antisemitismus aus.

Gastgeber, ÖAW-Präsident Heinz Faßmann, ortete im Vergleich zu anhaltend schweren Pro-Palästina-Protesten an Universitäten in den USA eine „derzeit noch entspannte Lage“ an den heimischen Hochschulen. Es gebe aber keine Garantie, dass das so bleibt. IKG-Präsident Deutsch sprach von „schrecklichen Zeiten“ für Juden in Österreich. „Juden haben wieder Angst, ihre Religion zu zeigen“, sagte er und warnte vor einer Regierungsbeteiligung der FPÖ nach der Nationalratswahl im Herbst. Hier orte er ein Deja-vu zu den Vorgängen im Deutschland während der 1930er Jahre.

Nationale Strategie gegen Antisemitismus

Von der nationalen Strategie gegen Antisemitismus habe man bisher 28 von insgesamt 38 Maßnahmen vollständig umsetzen können, darunter vor allem im Bereich Bildung, hatte Edtstadler bereits am Sonntag gesagt und etwa auf das Internetportal Erinnern.at verwieden. Die Umsetzung der fehlenden zehn Maßnahmen sei in Arbeit, so die Ministerin.

Erstmals nimmt auch die Sonderbeauftragte der amerikanischen Regierung zur Beobachtung und Bekämpfung von Antisemitismus, Botschafterin Deborah Lipstadt, an der Konferenz teil. Durch die Veranstaltung führt Dalia Grinfeld, stellvertretende Direktorin für europäische Angelegenheiten bei der Anti-Defamation League.

Auch SPÖ und Grüne verurteilen Angriff

„Aus der Geschichtsforschung wissen wir, dass besonders viele antisemitische Stereotypen mit Blut zusammenhängen. Es entsetzt mich umso mehr, dass so eine Attacke genau vor einer Antisemitismus-Konferenz stattfindet“, sagte die SPÖ-Sprecherin für Erinnerungskultur Sabine Schatz laut einer Aussendung.

Vizekanzler Werner Kogler (Grüne) verurteilte den Übergriff auf „X“ als vollkommen unzulässig. Dieser überschreite eine rote Linie und sei auf das Schärfste zu verurteilen. „Diese Attacke und auch die Beschmierungen in Wien Leopoldstadt stellen inakzeptable, antisemitische Tabubrüche dar. Unsere Haltung ist gerade in diesen Tagen ganz klar: Wir stehen Seite an Seite mit allen jüdischen Menschen in Österreich“, so der Vizekanzler.