Polizei bei Klima-Demonstration von Fridays for Future
APA/Georg Hochmuth
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Chronik

Polizei kratzt an Überstundenrekord

Die Wiener Polizei sucht händeringend neues Personal. Wie massiv das Problem ist, zeigt sich auch an den Überstunden: Mehr als 2,2 Millionen sind allein im Vorjahr in Wien angefallen. Damit liegt man knapp hinter dem Rekordjahr 2018. Die Gewerkschaft lässt mit einem überraschenden Vorschlag aufhorchen.

„Die Wiener Polizei hat zahlreiche personalintensive Herausforderungen zu bewältigen, unter anderem Aktivisten, die Straßen blockieren, aber auch rund 11.000 angezeigte Veranstaltungen und Versammlungen im vergangenen Jahr“, sagte Polizeisprecher Markus Dittrich gegenüber „Wien heute“. Auch die Demos im Zusammenhang mit den Ereignissen in Israel und Gaza haben die Überstunden nach oben getrieben, genauso wie die erhöhte Terrorwarnstufe.

Dabei sorgen schon die planmäßigen Aufgaben, wie zum Beispiel die Bewachung von Botschaften, oder der Einsatz bei Fußballspielen, für viele Überstunden. 2018 gab es mit mehr als 2,34 Millionen einen Überstundenrekord, dann kam mit der Pandemie anfangs ein merklicher Rückgang auf 1,78 Millionen Überstunden im Jahr 2020. Dann stiegen die Überstunden wieder. Im Vorjahr fielen 2,28 Millionen Mehrdienstleistungen, wie die Überstunden polizeiintern heißen, an.

Personaloffensive von Ministerium und LPD Wien

Die Landespolizeidirektion und das Innenministerium versuchen gegenzusteuern. Es wurde eine große Personaloffensive gestartet, um neue Polizeischülerinnen und -schüler anzuwerben. In Wien wurde in der Leopoldstadt ein Recruitingcenter eröffnet, und Anfang des Jahres öffnete auch ein eigener Info-Store am Schottenring.

Außerdem wurde das Einstiegsgehalt angehoben und es gibt auch „eine Rückerstattung der Führerscheinkosten“, sagte Dittrich. Zudem wurde das Aufnahmeverfahren erleichtert. So kann zum Beispiel der Sporttest erst während der Ausbildung absolviert werden und auch sichtbare Tattoos sind erlaubt.

415 Neuaufnahmen im Vorjahr

Die Rekrutierungsmaßnahmen zeigen Wirkung: Die Bewerberzahlen sind in Wien in den vergangenen Monaten um fast die Hälfte gestiegen, doch bei den tatsächlichen Neuaufnahmen ist noch Luft nach oben. 2020 gab es 456 Neuaufnahmen in Wien, 2021 waren es 522, gefolgt von 349 im Jahr 2022. Im Vorjahr waren es dann 415. Für dieses Jahr hat das Innenministerium ambitionierte Ziele: „Es ist geplant, im Jahr 2024 in Wien insgesamt 1.000 neue Polizistinnen und Polizisten aufzunehmen“, hieß es aus dem Innenministerium. Zum Vergleich: Allein in Wien sind im Vorjahr 224 Beamte in den Ruhestand gegangen.

Um die Überstunden zu reduzieren, hat die Polizei auch Inspektionen in der Nacht für den Parteienverkehr geschlossen: Seit Oktober sind in Wien nur noch 29 von 81 Inspektionen im Nachtbetrieb – mehr dazu in Nachtsperren bei vielen Polizeiinspektionen. Und als weitere Maßnahme zum Überstundenabbau soll im Dezember auch eine eigene Objektschutzpolizei starten, die dann zum Beispiel Botschaften bewacht.

Gewerkschafter für Reduktion von Streifendiensten

Der ÖVP-nahe Gewerkschafter Gerhard Zauner von der Fraktion Christlicher Gewerkschafter begrüßt die gesetzten Maßnahmen, denn derzeit sei die Situation für viele Kolleginnen und Kollegen "sozial nicht mehr verträglich. „Wir sind momentan bei einer durchschnittlichen Pro-Kopf-Belastung pro Monat von circa 55, 60 Stunden. In Einzelfällen sind es auch hundert“, sagte Zauner.

Der Polizeigewerkschafter lässt mit einem überraschenden Vorschlag aufhorchen. „Man muss sich vielleicht doch überlegen, ob alle Streifendienste in der Anzahl, wie sie derzeit durchgeführt werden, möglich sind. Das ist aus meiner Sicht durchaus möglich, ohne die Sicherheit in der Stadt zu gefährden“, sagte Zauner gegenüber „Wien heute“.

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Auch der SPÖ-nahe Gewerkschafter Walter Strallhofer von der Fraktion Sozialdemokratischer GewerkschafterInnen, begrüßt die Personaloffensive. Diese müsse auch in den kommenden Jahren unbedingt weiter fortgeführt werden. Denn es müsse sich etwas ändern, „die Drop-out-Zahlen werden von Jahr zu Jahr höher, weil die Kolleginnen und Kollegen nicht mehr bereit sind, derart viele Überstunden zu machen. Außerdem kommt es oft vor, dass man über Überstunden erst am Tag des Dienstes informiert wird“, kritisierte Strallhofer.